Mythor - 063 - Die Bestie erwacht
aus!
Leere Lagerschuppen gähnten sie mit ihren offenen Toren an und zeigten, daß sie gewaltsam geöffnet worden waren. Verfaulte, stinkende Fischreste lagen überall, und trotz der üblen Gerüche dachte niemand daran, sie zu entfernen!
Die Lagerschuppen waren geplündert worden!
Von wem?
Von diesen lebenden Toten?
Unverwandt standen sie da, eine Gruppe von einem Dutzend Frauen und ein paar Männern, und keiner bewegte sich!
Keiner kam den Besuchern entgegen, um sie zu begrüßen!
Scida sah zum Wasser.
Dicht am Ufer waren Fischerboote gesunken – nein, versenkt worden! Mit Äxten zertrümmert und unbrauchbar gemacht! Kein einziges der Boote war noch in der Lage, hinauszufahren.
Scida gab Sonya, einer grobknochigen Kämpferin, einen knappen, befehlenden Wink. Nebeneinander schritten sie jetzt auf die Gruppe der erstarrt stehenden Menschen zu.
Die zeigten immer noch keine Regung, sie stierten die beiden Amazonen nur unverwandt an.
Unter der leichten Rüstung bildete sich auf Scidas Rücken eine Gänsehaut.
Diese Augen!
Augen von Toten sahen so aus, so stumpf und glanzlos! Aber diese Menschen hier waren doch nicht tot! Sie standen aufrecht und lebten und konnten sich auch bewegen – wenn sie wollten!
Aber jetzt wollten sie nicht.
Und keine der Frauen von Takagai, auch keiner der Sklaven und Diener, hatte sich um die Tote gekümmert, die vorhin zusammengebrochen war!
Weder um sie noch um den stinkenden Abfall, der von der Plünderung übriggeblieben war.
Vor den ersten der Erstarrten blieben Scida und Sonya stehen.
»Ich bin Scida, Amazone der Zaubermutter Zeboa«, stellte die Anführerin sich vor. Aber nicht einmal ein Lidzucken zeigte, daß die Takagai-Frauen sie verstanden hatten.
Scida streckte die Hand aus, berührte die Schulter der vordersten. Die tauchte unter der Berührung zur Seite, und als Scidas Hand wieder zurückzuckte, nahm sie ihre ursprüngliche Stellung wieder ein.
Also doch Lebende…? Aber was war das für ein Leben?
»Was ist hier geschehen?« Sonya hatte es gefragt. Ihre Augen waren vor Grauen geweitet. Niemand konnte sich erklären, was hier vorgefallen war.
Hinter den beiden Amazonen ertönten schnelle Schritte im Sand. Ohne sich umsehen zu müssen, erkannte Scida ihre Hexe an ihrer Art, zu gehen.
Jewa schritt an Scida vorbei. Auch sie streckte ihre Hand nach einer der Takagai-Frauen aus.
Diesmal gab es kein Ausweichen. Aber Jewa hatte die Insulanerin mit einem ihrer Hexenringe berührt, die rot im Sonnenlicht funkelten.
»Oh…«
»Was ist?« herrschte Scida sie an, selbst am Ende ihrer Nervenkraft. Die Reglosigkeit der Gestalten und diese stumpfen Totenaugen fraßen an ihr. Sie war es gewohnt, körperlich auftretenden Gegnerinnen entgegenzutreten oder auch Hexenzauber – aber nicht diesem namenlosen Grauen, für das es keine Erklärung gab.
»Sie werden sterben«, sagte Jewa tonlos. »Schon bald. Jemand muß ihnen allen die Lebenskraft entzogen haben. Sie erlöschen wie Kerzen, die niedergebrannt sind.«
Es klang wie ein eisiger Hauch.
»Jemand?« stieß Sonya hervor. Ihre Hand berührte das Schwert.
»Oder etwas, Sonya… Ich weiß es nicht, aber es hat die ganze Insel erfaßt!« Nervös drehte Jewa an ihrem Ring, mit dem sie die Insulanerin berührt hatte. »Sie sind alle so. Lebende Tote, deren Tage gezählt sind. Es ist unfaßbar… Sollte das eine Auswirkung der Großen Plage sein, die uns die Tochter des Kometen prophezeite?«
Langsam nur wandte Scida sich ab. Sie konnte die stumpfen Augen nicht mehr ertragen.
» Gondaha « , flüsterte sie. »Die Stadt muß nahe an der Insel vorbeigekommen sein! Ob die Bewohner Gondahas das gleiche Schicksal erlitten haben?«
Aus großen Augen sah die Hexe sie an. »Vielleicht trägt Gondaha aber auch die Schuld! Denke an Zeboas Worte, an das, was sie von Zahda erfuhr! Die Gefahr aus der Schattenzone… Und Gondahas Kurs berührt die Zone!«
»Das«, sagte Scida tonlos, »wäre furchtbar!«
Sie hob den Arm und deutete auf den Luftgeistjäger. »Wir fliegen zurück, Amazonen! Hier haben lebende Menschen nichts mehr verloren…«
*
Als die Sonne eine Handspanne weiter am Firmament gezogen war, nahm der Stern von Walang wieder Fahrt auf. Der Kurs stand fest. Die Schwimmende Stadt Gondaha war das neue Ziel.
Auf Takagai hatten sie nichts mehr zu tun. Es gab für sie keine Möglichkeit, den Menschen dort zu helfen. Sie waren rettungslos verloren.
Aber das Rätsel blieb. Wer oder was hatte den Menschen fast alle
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