Mythor - 084 - Stadt der Amazonen
Verwirrung griff wieder nach der Eade.
»Warum kehrst du zurück?«
Sosona, die Hexe, atmete tief durch. Eine Weile noch rang sie mit sich, suchte nach einem anderen Ausweg, doch die fand ihn nicht. Auch sie hatte Zaem verraten, indem sie Burra half.
»Warum?« wehte die Frage der Eade an ihr Ohr.
Und die Hexe sagte es ihr.
*
»So, du wolltest mich also in Stücke reißen?« fragte Tertish spöttisch und beugte sich über den Beuteldrachen, der in seiner vollen Länge ausgestreckt auf den Decksplanken lag und sich nicht mehr bewegen konnte. Jeweils eine Amazone hielt einen seiner Arme und Beine fest. Scida und Kalisse erging es nicht anders. Sie hatten angenommen, daß die Sturmbrecher von Kriegerinnen entblößt war. Doch es befanden sich mehr Amazonen an Bord, als sie geglaubt hatten.
Burg Anakrom brachte gute Kriegerinnen hervor. Die beiden Amazonen und der Beuteldrache waren entwaffnet und überwältigt worden.
»Ja, spotte nur«, schrie der Mandaler. »Du hast ja nur gewonnen, weil du in der Überzahl warst!«
»Schweig«, bedeutete Tertish ihm und trat zwischen Burra und Kalisse. »Jetzt zu euch. Was wißt ihr?«
Scida drehte den Kopf und spie aus. »Mythor lebt«, sagte sie. »Euer Versteckspiel hat keinen Sinn. Wir wissen es!«
Tertish sah Gorma und Gudun an, dann wieder Scida. »Woher?«
»Gerrek sah ihn in der Nacht, als er von Bord geschafft wurde.«
Tertish fuhr herum. Ihr Fuß stieß den Beuteldrachen leicht an. »Was hast du gesehen? Sprich schnell und ohne zu lügen.«
»Ich sah eure verdammte Hexe«, zischelte der Mandaler. »Ein Haufen vermummter Weiber waren dabei. Eaden. Sie schafften Mythor von Bord, wohl in den Traumpalast! Was habt ihr mit ihm vor?«
»In - den - Traumpalast?« wiederholte Tertish staunend. »Das darf nicht wahr sein!« Sie sah wieder ihre beiden Gefährtinnen an. »Wißt ihr davon?«
Gorma schüttelte den Kopf. »Wir wissen nichts.«
Tertish holte tief Luft.
»Wisset, ihr drei, daß nicht wir es waren, die nach eurem Leben trachteten. Warum sollten wir auch? Wir wußten nicht, daß ihr das Geheimnis entdeckt habt. Das müßt ihr uns glauben. Ein anderer stellt euch nach - vielleicht Sosona selbst. Aber jetzt müßten wir euch eigentlich töten. Ihr wißt zuviel. Mythor muß tot sein.«
»Warum?« murmelte Scida.
»Ihr braucht es nicht zu wissen. Aber ihr werdet die Sturmbrecher vorläufig nicht verlassen. Wir kümmern uns selbst um die Sache.«
Sie gab den anderen Kriegerinnen einen Wink. »Schafft sie unter Deck und sperrt sie ein«, befahl sie.
*
In Guduns Raum trafen sie sich wieder.
»Ich bin bestürzt«, gestand Tertish. »Daß Sosona sich mit den Eaden einließ… ich kann es nicht fassen. Hat sie den Verstand verloren?«
»Sie sollte dafür sorgen, daß Mythor nach Burg Anakrom geschafft wird«, erinnerte Gorma. »Und das unauffällig. So, daß niemand davon erfährt. Aber was jetzt geschieht - ich finde keine Worte.«
»Es ist gefährlich«, sagte Gudun grimmig. »Niemand weiß, was die Eaden vorhaben, niemand weiß, wieweit Sosona sie eingeweiht hat. Aber gerade weil sie Eaden sind, müssen wir davon ausgehen, daß sie alles wissen.«
»Daß Mythor der Sohn des Kometen ist.«
»Der den Tempel der Schwarzen Mutter zerstörte und dabei starb. Der Tod ist nach Zaems Willen.«
»Gerüchte sind schneller als der Wind«, murmelte Tertish. »Und der Wind weht überall, auch dort, wo Zaem mit ihrem Luftschiff fliegt.«
»Wenn sie erfährt«, flüsterte Gudun heiser, »daß Mythor nicht tot ist, sondern daß Burra ihn von den beiden Tritonen-Rebellen fortschaffen ließ zur Sturmbrecher, während ein anderer an seiner Stelle das Rysha-Horn blies und starb - dann ist Burra um einen Kopf kürzer! Und nicht nur sie.«
»Alle daran Beteiligten mit ihr«, ächzte Gorma. Es war weniger der Tod, den sie fürchtete, als mehr die Ehrlosigkeit dieses Todes. »Auch Sosonas Kopf rollt. Warum geht sie dieses Risiko ein? Wir alle kennen die Geschwätzigkeit der Eaden nicht, aber in ihrem verwirrten Zustand ist ihnen zuzutrauen, daß sie nicht mehr Herr ihrer Zungen sind. Das Geheimnis kann zu jeder Zeit enthüllt werden.«
»Morgen«, sagte Tertish. »Morgen werden wir uns darum kümmern. Es ist spät, und am Abend ist der Tempel geschlossen. Selbst mit Gewalt wird man uns nicht hineinlassen.«
»Vielleicht doch«, murmelte Gudun. »Wir dürfen kein Risiko eingehen. Wo steckt Sosona?«
»Ich sah sie noch nicht wieder an Bord seit gestern abend…«
Schweigend
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