Mythor - 109 - Der Götterbote
sich nicht einmal die Zeit, Mythor aufzufordern, das Schwert herzugeben – er hob die Keule und drang damit auf Mythor ein.
»Du hast es nicht anders gewollt«, rief Mythor.
Er hatte vor, den Shrouk kampfunfähig zu machen. Die Shrouks kannten wahrscheinlich keine Hemmung, ihre Toten einfach im Abgrund verschwinden zu lassen und so den Weg freizuräumen; bei Verletzten würden sie sich wohl mehr Mühe geben, und das konnte ihr Vordringen entscheidend hemmen.
Der Führer der neuen Shrouks hatte alle klugen Gedanken abgestreift und griff an; er tat das mit solcher Wucht, daß Mythor keine Zeit blieb, richtig zu zielen.
Erst als er den Schmerz seiner Wunde fühlte, begriff der Shrouk, was geschehen war. Im Fallen versuchte er noch, nach Altons Klinge zu greifen.
Es war diese Torheit, die ihn das Leben kostete – er bekam die Klinge nicht zu fassen und taumelte schwergetroffen zurück. Einen Herzschlag später war er im Abgrund verschwunden.
Geraume Zeit verharrten die Shrouks wie gelähmt, dann griffen sie wieder an.
Planlos und nur vom eigenen Ungestüm angetrieben, hatten sie nicht die geringste Chance, schon gar nicht gegen diese Gegner. Nach kurzer Zeit war der Weg von den Körpern toter und verletzter Shrouks versperrt, und das gab Mythor die Gelegenheit, sich mit Tertish und Scida zurückzuziehen.
»Schade«, knurrte Scida im Laufen. »Es fing gerade an, Spaß zu machen.«
Ab und zu brach die Gedankenwelt einer rauhen Vanga-Amazone durch, der Kämpfen ein Lebenselixier war, so widersprüchlich das auch war.
»Wir müssen uns beeilen«, stieß Mythor hervor. »Sie werden nicht sehr lange brauchen, bis sie den Weg freigeräumt haben, und danach sitzen sie uns auf den Fersen.«
Bald war der Rest der Gruppe erreicht. Mythor winkte ihnen von weitem schon zu, sie sollten sich in Marsch setzen. Von Yoter und seinen Shrouks war nichts zu sehen – sie schienen schon recht weit nach vorne geeilt zu sein.
Eine Viertelstunde lang eilten Mythor und seine Freunde hinter Yoter her, aber sie holten ihn nicht ein – offenbar gab es einstweilen auf dem Weg hinab in die Tiefe keine weiteren Hindernisse. Das war Mythor hochwillkommen – je weiter er absteigen konnte, um so weniger wahrscheinlich war es, daß ihm die gesamte Shrouk-Meute auf den Fersen blieb.
Dann gab Mythor ein Zeichen für eine kurze Pause. Schnaufend blieben die Läufer stehen.
Ob die Shrouks folgten, ließ sich nicht sehen – wenn, dann hatte Mythor mit seinen Freunden einen beachtlichen Vorsprung herausgeholt. Möglich war auch, daß sie sich eines anderen besonnen hatten und ihren Weg in die Höhe der Schattenzone fortgesetzt hatten.
Unwillkürlich sah Mythor bei diesem Gedanken nach oben.
Ein Stern? Hier in der Schattenzone?
Noch dazu einer, der sich bewegte?
»Robbin, schau nach oben!«
Der Pfader hob den Kopf und erschrak sichtlich.
»Ein feuriger Himmelsstein!« rief er aus. »Er stürzt auf uns herab!«
Weglaufen half nichts – niemand konnte vorhersagen, wo genau der Himmelsstein aufschlug. Mit etwas Pech lief die Gruppe womöglich genau in die exakte Absturzstelle hinein.
Wie gebannt blieben die Menschen auf ihren Plätzen und starrten nach oben.
In rasender Geschwindigkeit schwoll der leuchtende Punkt an, wurde zur Scheibe, dann zum lodernden Ball.
Einen Herzschlag später war er da.
Ein Tosen und Brüllen ging durch die Luft und übertönte jedes andere Geräusch. Dann wurde es gleißend hell vor Mythors Augen, und im nächsten Augenblick fühlte er sich jäh emporgehoben. Er verlor den Halt und stürzte, auf einen sich heftig windenden und krümmenden Boden, der heftig ruckte. Nirgendwo war ein Halt zu finden.
Chaos herrschte in Mythors Gedanken. Er fand nichts zu sehen, außer der gleißenden Helligkeit, vor der er die Augen schließen mußte. Seine Hände fanden auf dem ruckenden Boden keinen Halt. Irgendwo in der Nähe, unsichtbar, unhörbar, lagen die Freunde, und in der Nähe war auch der Abgrund, in den der Himmelsstein hineinzustürzen schien.
Schlagartig war es wieder dunkler. Der Boden beruhigte sich. Nur in den Ohren blieb ein Dröhnen und Klingen. Es würde längere Zeit dauern, bis das Gehör wieder einwandfrei arbeiten konnte.
Mythor lag flach auf dem Boden. Er spürte sein Herz rasend schnell schlagen. Auch er war von Furcht nicht frei, wenn der Boden unter ihm zu toben begann.
Auch den anderen saß der Schrecken in allen Gliedern. Mythor sah angstverzerrte Gesichter, und er vermutete, daß einige ihre
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