Mythor - 109 - Der Götterbote
Riesenqualle steckte und deren Eingeweide betrachtete. Das machte seine Lage keineswegs besser, zumal er das Gefühl hatte, als würde seine Haut allmählich verätzt. Das Brennen war nicht sehr stark, aber sehr lästig.
Mythor versuchte einen Arm zu bewegen und zu den Augen zu führen. Es gelang nur langsam und mit Mühe. Was er sah, erfüllte ihn mit Schrecken. Auf seiner Haut saßen etliche der roten Räder, die er gerade gesehen hatte. Die auf seinem Arm waren etwas kleiner, und ihre dünnen Fäden schienen sich in Mythors Haut gebohrt zu haben.
Offenbar war die Riesenqualle damit beschäftigt, ihn bei lebendigem Leib auszusaugen – ob dieses Schicksal dem Tod im Giftgas vorzuziehen war, wollte Mythor nicht entscheiden. Ihm paßte beides nicht, und in beiden Fällen kam er zu dem Ergebnis, daß er auf sein weiteres Schicksal offenbar keinen Einfluß hatte. Die Hand, die er bewegen konnte, war die linke, und die rechte wollte sich nicht von der Stelle rühren. Die Qualle schien genügend gewitzt zu sein, um Mythor daran zu hindern, eine, seiner Waffen zu ergreifen.
Mythor versuchte den Kopf zu wenden, und es gelang. Durch die Gallerte hindurch konnte er ein Stück weit ins Freie sehen.
Grauer Fels, überweht von weißen Nebeln, und über diesem Land mindestens ein Dutzend der Riesenquallen – jede mit einer lohnenden Beute. Wenn Mythor richtig sah, dann war ein ganzer Schwarm der Sülzflieger über die Bedrängten hereingebrochen und hatte zumindest einen Teil von Mythors Mannschaft aus dem Gift geborgen. In Pulks von je drei bis vier Gallertkugeln, die sich unablässig verformten, flogen die Menschenbehälter über das karge Land.
Wie die Sülzflieger das bewerkstelligten, blieb vorläufig ihr Geheimnis.
Bei einem neuerlichen Blick auf seinen Arm konnte Mythor sehen, daß einige der roten Räder inzwischen prallgefüllt abgezogen waren und ihren Platz für daumenlange grüne Schlangen freigemacht hatten, die nun auf Mythors Haut saßen.
Ein seltsames Wohlgefühl breitete sich in Mythor aus. Er verspürte weder Hunger noch Durst, obwohl er seit geraumer Zeit nichts gegessen und getrunken hatte. War das die Gegenleistung der Qualle für das Blut, das sie ihm abzapfte? Es sah ganz danach aus.
Mythor schüttelte sich.
Es gab gräßliche Lebensformen in der Schattenzone, und dies war eine, die ihm besonders scheußlich erschien – er ahnte, daß er aus diesem lebenden Gefängnis nie mehr herauskam. Auch wenn der Sülzflieger ihn mit Luft und auf seine unverständliche Art und Weise auch mit Wasser und Nahrung versorgte, so war dies doch kein Leben, das Mythor auf Dauer führen wollte.
Er versuchte zu strampeln, aber sofort wurde der Druck um seine Beine stärker. Offenbär ließ die Qualle nur spärliche Bewegungen zu, gewiß keinen Befreiungsversuch. Mythor war dem seltsamen Gebilde auf Gedeih und Verderb ausgeliefert.
In seiner hilflosen Lage blieb dem Gorganer einstweilen nur eines zu tun übrig – beobachten.
Sorgfältig zählte er einige Male die Quallen, die er zu sehen bekam, und wenn er sich trotz mehrfacher Kontrolle nicht verrechnet hatte, dann war es den Quallen zu verdanken, daß Mythors gesamte Mannschaft das Giftgas überlebt hatte – es ließ sich allerdings nicht feststellen, ob einige der Flugsülzen nicht auch von Shrouks benutzt wurden.
»He, alter Freund!« rief Mythor. Er konnte sich zwar nicht vorstellen, wie die Qualle ihn hören oder auf seine Worte antworten konnte, aber er wollte nichts unversucht lassen. »Gib Antwort!«
Um seine Beine zog sich die Gallerte rhythmisch zusammen und löste ihren Griff wieder.
»Bist du Freund oder Feind?«
Eine Antwort blieb aus, dann begriff Mythor, daß er seine Fragen anders formulieren mußte.
»Bist du ein Feind?«
Wieder gab es keine Antwort.
»Ein Freund?«
Rasch zog sich die Gallerte um Mythors Beine zusammen und löste sich wieder.
»Puh«, machte Mythor. Er war gesättigt, er fühlte sich geradezu vollgestopft. Die Qualle versorgte, wie auch immer, ihre Gäste sehr reichhaltig.
Wie redet man mit jemandem, der nur mit Ja oder Nein antworten kann? Vor allem – wie sollte er herausfinden, was für Pläne die Gallerte verfolgte, einmal ganz abgesehen von dem Grundsatzproblem, ob das seltsame Lebewesen log oder die Wahrheit sagte.
»Hast du uns zufällig gefunden?«
Die Antwort lautete nein, was Mythor verblüffte.
»Hat jemand euch geschickt?«
Diesmal war die Reaktion bestätigend. Das gab Stoff zum Nachdenken – viel
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