Mythor - 112 - Der magische Bann
Aufschrei hatte unten die Priester aufmerksam gemacht.
Parthan sah ihn schweben und kam aufgeregt heran, die Fäuste wütend erhoben. Selbst Donahin wandte sich um.
»Wer ist er?«
»Was weiß ich nicht. Ein Verräter…!«
»Einer aus deiner Gefolgschaft?« Es klang sarkastisch.
»Nein«, erwiderte Parthan wütend. »Niedere tragen in meiner Gefolgschaft keine Masken…«
»Holt ihn herab und bestraft den Frevel. Und bringt in Erfahrung, woher er Kenntnis von diesem Stein hat!«
Thonensen schwebte hoch, so rasch er es vermochte, und versuchte erneut, den Stein zu bewegen – diesmal aber nicht mit den schmerzenden Händen, sondern mit Magie.
Doch er fand rasch heraus, daß es unmöglich war. Es gelang ihm nicht, zwei getrennte Dinge zu bewältigen. Wenn sein Geist die Kraft auf den Stein richtete, begann er zu fallen. Er vermochte nicht beides zur selben Zeit.
Ein höhnisches Lachen schallte herauf. »Es bedarf einer größeren Magie als der deinen!«
Dann spürte Thonensen eine Kraft von unten, die nach ihm griff und ihn hinabzog. Verzweifelt stemmte er sich dagegen, aber er mußte sich resignierend eingestehen, daß er nur ein Anfänger war und mit Gegnern rang, die ihre Seele dafür verkauft hatten.
Seine Enttäuschung über sein Versagen war so groß, daß er die Gegenwehr aufgab.
Hier und jetzt endete alles – wie schon einmal in der Gewalt Vassanders. Aber diesmal sollten sie ihn nicht lebend bekommen. Er war nicht noch einmal neugierig auf die Kräfte der Schatten.
Er ließ sich fallen.
Aber er fiel nicht. Sie hatten bereits Gewalt über ihn. Voll Grauen starrte er hinab auf die wartenden Priester.
Da ging ein Beben durch stong-nil-lumen.
Ein dumpfes Grollen folgte.
Donahin rief etwas mit sich überschlagender Stimme. Die Priester starrten zu ihm und Yhrs Garten. Parthan begann zurückzulaufen. Auch er rief etwas. Panische Aufregung schien alle zu erfassen.
Thonensen war plötzlich frei und fiel.
Aber nun war ihm nicht mehr nach Sterben. Als es ihm schließlich gelang, den Fall abzufangen, war der steinerne Boden bereits zum Greifen nah.
Die Halle erzitterte erneut. Der Irrgarten der Schlange verschwand. Ihr Leib füllte wieder das Gewölbe. Aber er wand sich, begleitet vom Knirschen und Ächzen der Quader. Es klang, als würde stong-nil-lumen bersten.
Yhr tobte! Und die Götter mochten wissen, weshalb. Vielleicht war der Mond doch ein zu großer Bissen für sie gewesen, dachte der Sterndeuter sarkastisch. Er hatte keine Furcht. Er schwebte und beobachtete.
Und hoffte, daß Yhr in ihrem Toben gelingen würde, was er nicht fertiggebracht hatte – stong-nil-lumen zum Einsturz zu bringen.
*
Nottr kam schwankend auf die Beine, als die Erde sich beruhigte. Das Pfeifen des Windes endete, und die Stille war atemlos.
Aber nur einen Atemzug lang, dann rief eine rauhe Stimme etwas, das Nottr nicht verstand. Es war eine fremde Sprache, und das war ungewöhnlich. Aber eines war ganz deutlich zu hören:
Es klang herausfordernd:
»Nottr! Sie sind zu viert!« Das war Lellas Stimme.
Er war verwirrt. Seine Erinnerung sagte ihm, daß er einen Augenblick zuvor sein Schwert gegen Mythor erhoben hatte, um zu töten. Er verstand nicht warum.
Aber bevor er einen klaren Gedanken fassen konnte, sah er vier unglaubliche Gestalten auf sich zukommen, von denen eine in dieser rauhen Stimme sagte:
»Sie sieht aus wie eine Kriegerin. Aber sie redet wie die im Norden reden. Wie, denkt ihr, paßt das zusammen?«
Eine der Gestalten antwortete: »Es gibt nicht nur Weibchen im Norden, habe ich sagen hören, Burra. Es soll Barbaren geben weit im Osten, bei denen noch natürliche Zustände herrschen…«
»Dann denkst du auch, was ich denke, Dorema. Wir sollten die Gelegenheit nützen und dem Männchen hier eins überziehen und dann machen, daß wir zurückkommen.«
Die anderen drei lachten unterdrückt. »Wäre er nicht ein Prachtstück in deiner Sammlung? Ein Barbar für alles?«
»Ja, er sieht aus, als ob ich an ihm länger meine Freude hätte. Holen wir sie uns lebend… beide.«
’Nottr schüttelte seine Überraschung ab. Die vier kriegerischen Erscheinungen vor ihm waren Frauen. Aber solchen Kriegerinnen war er noch nie gegenübergestanden. Die Lorvanerfrauen waren groß und muskulös und Kriegerinnen, wie es sie nirgends sonst in Gorgan gab – aber sie waren auch Weiber, die Blut und Krieg vergessen lassen konnten. Diese hier waren Kampfmaschinen. Ihre Anführerin, die sie Burra genannt hatten,
Weitere Kostenlose Bücher