Mythor - 112 - Der magische Bann
ihr gemeinsames Ziel.
Nottr kam so gut voran, daß er sich des Gefühls nicht erwehren konnte, daß man ihn führte. Er stieß auf keine Ungeheuer und keine Gefahren, obwohl Seelenwind in seiner Faust höchst lebendig war.
Mehrmals hörte er Lella in Imrirrs Namen fluchen, und Taurond schrill aufschreien und lauthals weinen. Dann blieb er stehen und lauschte und rief ihre Namen, bis sie wieder antworteten. Erst dann eilte er weiter.
Welche Macht ihn auch immer in diesen Irrgarten geschickt hatte, sie schien wenig Gefallen an seinem zögernden Vormarsch und seinem steten Warten auf die Gefährten zu haben, denn bald begegneten auch sie keinen Irrwegen und Gefahren mehr, und alle drei kamen rasch voran.
Einmal blickte er zum Himmel hoch und sah, daß er vollkommen schwarz war.
Mehrmals sah er das steinerne Tor deutlich vor sich, aber durch die Bewegungen des magischen Gartens verlor er es immer wieder aus den Augen. Manchmal sah er Lella einen Augenblick lang, aber in dem Wirrwarr führten ihre Wege nicht zusammen. Wenn er sie oder den Jungen rief, kamen ihre Stimmen immer aus nächster Nähe.
Dann hatte er das Steintor plötzlich vor sich und vergaß seine Gefährten.
Er lief darauf zu, und alles sammelte sich in ihm für das eine, das er tun mußte. Er wußte nicht, was es war, aber er war bereit.
Mythor erwachte in seinen Gedanken.
Er erinnerte sich, daß er sich an diesen Namen geklammert hatte wie an einen Stamm in der reißenden Flut; daß er ein Anker für ihn in der Wirklichkeit gewesen war.
Er dachte nicht wirklich an den Träger des Namens, nur an das Wort.
Es erfüllte ihn mit Grimm.
Es erfüllte ihn mit Haß – mit solchem Haß, daß er es tilgen wollte aus allen Mündern, die es sagen konnten; aus allen Hirnen, die es denken konnten; aus allen Herzen, denen es etwas bedeutete!
Er wußte nun, weshalb er hier war.
Ein Symbol galt es zu vernichten…
Jenseits des Steintors gewahrte er eine Bewegung. Sie riß ihn aus seinen grimmigen Gedanken, machte seinen Kopf einen Atemzug lang frei genug, daß er Verwunderung über den Haß empfand.
Weshalb sollte er Mythor hassen? Der Name weckte mehr eine freudige Erwartung.
Und seine Ahnung trog ihn nicht.
»Nottr!«
Mythors Stimme. Es war, als ob er ihn herbeigewünscht hätte. Er sah die vertraute Gestalt auf der anderen Seite des steinernen Tores stehen.
Der Gefährte streckte ihm die Hände zum herzlichen Gruß entgegen…
Da wallte der Haß in Nottr hoch, mit solcher Urgewalt, daß er mit verzerrtem Gesicht vorwärtssprang und Seelenwind zum tödlichen Hieb hochriß…
»Nottr! Nottr…!«
Taurond rannte auf ihn zu und wollte ungeachtet der erhobenen Klinge die Arme um ihn schlingen. Nottr wich wütend zur Seite und sah, daß auch Mythor zur Seite gestoßen wurde.
Mehrere Gestalten warfen sich brüllend durch das Tor.
Die Erde schwankte unter Nottrs Füßen. Seelenwind heulte. Ein Wind aus einer anderen Welt fegte durch den Garten Yhrs und wirbelte die Menschen wie welke Blätter umher.
7.
Carlumen
Zwischen Mythor und Nottr war nur noch ein Flimmern, eine kaum wahrnehmbare Barriere.
Die Hände zum Wiedersehensgruß entgegengestreckt, wollte Mythor über die Schwelle treten. Es verwirrte ihn, daß Nottr das Krummschwert zum Schlag erhoben hatte, doch kam ihm nicht der Gedanke, daß sich die feindliche Haltung gegen ihn richtete. Vielmehr meinte er, daß sich der Barbar gegen das ihn bedrängende Böse zur Wehr setzen mußte.
Mythor war sicher, daß Nottr ihn erkennen würde, wenn er den letzten und entscheidenden Schritt tat.
Der Sohn des Kometen setzte dazu an, als jemand auf Nottr zutrat. Mythor verhielt den Schritt vor Überraschung, als er in der hünenhaften Gestalt, die Nottr um Haupteslänge überragte, ein Kind erkannte.
Ein etwa vierjähriger Junge von riesenhaftem Wuchs!
Mythor zögerte nur kurz, dann überwand er die Überraschung, und setzte dazu an, die begonnene Bewegung zu vollenden.
Da erklang hinter ihm plötzlich ein tierhafter Schrei. Etwas traf ihn an der Schulter und schleuderte ihn beiseite. Noch im Fallen sah er vier wuchtige Gestalten an sich vorbeistürmen – und dann…
Wie in einem Traum lief das folgende Geschehen langsam und unwirklich vor Mythors Augen ab. Irgend etwas zerrte an ihm, etwas Unsichtbares wie ein magischer Sturm. Doch Mythor erkannte, daß er sich nur in der Randzone dieses elementaren Wirbelwinds befand, der durch unergründliche Bereiche tobte.
In seinem Zentrum befanden sich sieben
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