Mythor - 124 - Zeichen des Lichts
nicht, daß wir hier zu Gast sind. Wenn Morik sagt, daß es so war, dann müssen wir ihm glauben.«
»Aber der Kerl lügt so offensichtlich…«, mischte sich nun auch Odam ein. Er verstummte, als Mythor den Blick auf ihn richtete.
»Das sei dahingestellt«, erklärte Mythor. »Ich wundere mich nur, daß ihr die uns entgegengebrachte Gastfreundschaft mit brutaler Gewalt lohnen wollt. Ich glaube, es wäre Zeit, euch wieder eines angemesseneren Benehmens zu entsinnen.«
»Na, meinetwegen«, sagte Necron.
»Du bist unser Wortführer, Mythor.« Er blickte herausfordernd in Richtung der fünf Yarlfänger und sagte mit erhobener Stimme: »Aber ich möchte alle warnen, die glauben, uns übertölpeln zu können.«
Mythor sah, wie die Hintertür langsam aufging. Für einen Moment tauchte eine Gestalt in einem. Kapuzenmantel darin auf, verschwand aber sofort wieder.
Mythor beugte sich zu Sadagar hinunter und flüsterte ihm ins Ohr:
»Da schleicht jemand herum. Folge ihm durch die Hintertür, ich nehme den Haupteingang.«
Ohne ein Wort erhob sich Sadagar und eilte in Richtung der Hintertür.
»Bleibt auf euren Plätzen«, trug Mythor den Kameraden auf und durchquerte den Schankraum. Er öffnete die Tür einen Spalt und schlüpfte hindurch. Auf der Veranda angekommen, schlich er entlang der Wand bis zur Ecke. Es dauerte keinen Atemzug lang, bis die Gestalt von vorhin auftauchte und an ihm vorbeiging, ohne ihn zu entdecken.
*
Mythor folgte der verhüllten Gestalt bis zum Zaun einer Koppel. Der Unbekannte streckte die Hände aus und legte sie auf das oberste Brett des Zaunes. Mythor sah überrascht, daß seine schmalen Handrücken leuchteten.
»Warum folgst du mir?« fragte der Unbekannte, ohne sich umzudrehen. »Wenn du mich überfallen willst, mußt du es hinterrücks tun. Denn wenn du mir ins Gesicht geblickt hast, wirst du deine Absicht nicht mehr ausführen können.«
Mit dieser Reaktion hatte Mythor nicht gerechnet. Seine Stimme klang belegt, als er sagte:
»Ich möchte dir ins Gesicht blicken. Ich möchte mit dir reden.«
Der andere hob die leuchtenden Hände und schlug seine Kapuze in den Nacken. Auch sein Haar leuchtete, als sei es mit fahlen Mondstrahlen getränkt, und es war lang und gekräuselt und bildete einen Kranz aus Licht. Langsam wendete er den Kopf, bis Mythor sein Gesicht sehen konnte. Es war knochig und faltenreich und erstrahlte in einem unwirklichen Schein. Besonders seltsam erschien es Mythor, daß das Leuchten in den tief eingekerbten Falten um Mund und Nase noch stärker war und daß nur die Augen und die Mundöffnung glanzlose, dunkle Punkte bildeten.
»Wer bist du?« fragte Mythor beklommen.
»Ich heiße Eseroc und bin ein Diener der Lichtwelt, Fremder«, sagte der andere. »Ich bin nur einer von vielen Luminaten, unbedeutend unter meinesgleichen, aber weit über deinesgleichen stehend, die nicht mit Lichtstaub behaftet sind.«
»Urteilst du immer so vorschnell über andere?« fragte Mythor, der sich schnell wieder gefaßt hatte. Aus den Augenwinkeln sah er, wie Sadagar herankam; der nahm die Hände vom Messergurt und entspannte sich. Mythor fuhr fort: »Ihr Luminaten mögt für Lyrland wichtig sein, aber seid ihr es auch für die Lichtwelt? Du, Eseroc, hast dein Land vermutlich noch nie verlassen. Wir dagegen haben viele Länder bereist, haben in der Schattenzone für das Gute gekämpft und haben es auch in der Südwelt Vanga, der Welt der Hexen und Amazonen, getan. Und doch sind wir nicht so von uns eingenommen, daß wir auf andere herabsehen, die weniger bereist sind. Menschen von wahrer Größe zeichnen sich nie durch Überheblichkeit aus.«
»Dann prahle nicht!« sagte Eseroc.
»Ich wollte nur eine Basis schaffen, auf der wir miteinander reden können«, stellte Mythor fest. »Bist du bereit dazu? Oder hast du uns innerlich bereits verurteilt, nur weil wir Fremde sind?«
»Für mich ist niemand ein Fremder, der den wahren Werten lebt«, sagte Eseroc.
»Was soll das Herumgerede«, mischte sich Sadagar ein. »Reden wir von Mann zu Mann, halten wir uns an die Tatsachen. Was weißt du über den Dämon Catrox?«
Eseroc schloß für einen Moment Augen und Mund, so daß es keinen dunklen Punkt mehr in seinem leuchtenden Gesicht gab. Er war sich dieser Wirkung offenbar voll bewußt und setzte sie als Ausdrucksmittel ein. Nach einer kurzen Pause sagte er:
»Obwohl Lyrland an der Düsterzone liegt und die Schattenzone so nahe ist, konnte das Böse bei uns nie Fuß fassen. Wir Lyrer
Weitere Kostenlose Bücher