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Mythos

Mythos

Titel: Mythos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus C Schulte von Drach
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unseres Fossils nicht gleich am Ufer aus den Zelten klauben“, sagte der Biologe. Dann wurde er wieder ernst.
    „Also, was sagen Sie jetzt zu dem Schädel? Meinen Sie immer noch, ich habe etwas manipuliert oder gefälscht?“
    Revilla blies die Backen auf. „Ich muss mir das doch erst noch genau ansehen“, sagte er und schaute zu Tanriverdi hinüber. „Auf den ersten Blick … Aber die Sache ist nun mal heikel. Sie wissen schon.“
    Tanriverdi blinzelte Pérez lächelnd zu. Der Student tat, als hätte er es nicht gesehen. Er begann, sein Zelt aufzubauen.
    Donnerstag, 18. Juni, San Ramón del Sinar, Peru
    Als die Cessna der Policía Nacional von der Piste abhob, war Antonio Cori mit an Bord. Der Abschied von den Schatzsuchern war kurz gewesen. York verdankte dem Mann sein Leben, aber er hatte nicht gewusst, wie er damit umgehen sollte. Er hatte Cori eine Summe gezahlt, mit der der Pilot einige Monate über die Runden kommen würde. Zudem hatte er sich vorgenommen, ihn für den Verlust seines Flugzeugs zu entschädigen – wenn sie den Schatz gefunden hatten. Sie hatten sich die Hand gegeben, und das war es.
    D’Albret war, wie er sich eingestehen musste, erleichtert, weil Cori ihn ständig an sein Versagen während des Absturzes und danach erinnert hatte. Und Tilly war mit dem Mann sowieso nicht warm geworden.
    Als die Dämmerung hereinbrach, zogen sich die Missionare in das Heim eines ihrer unlängst getauften Schäfchen zurück. York und Tilly saßen vor Amaringos Hütte und leerten eine Flasche Wein, die der Apu ihnen irgendwoher besorgt voher beshatte.
    D’Albret stand schweigend abseits, sein Blick wanderte unstet über das Dorf. Es wurde rasch dunkel. Amaringo kam vorbei und zündete eine selbst gemachte Kerze an. Dann verschwand er wieder.
    MacLoughlin gesellte sich zu dem Priester. „Haben Sie Lust, einige Schritte mit mir zu gehen?“
    D’Albret schaute sie neugierig an. „Warum nicht?“
    Sie gingen langsam zu der kleinen Anlegestelle hinüber.
    „Wie geht es Ihnen denn?“ MacLoughlin wies auf den Fluss hinunter. „Finden Sie Ablenkung?“
    D’Albret folgte ihrem Blick. Das Wasser des Río Sillay war kaum noch zu sehen. Hier und dort tauchten feine, weiße Schaumkronen aus der Finsternis auf, wo sich Strudel bildeten. Das leise Flüstern der Wellen klang wie ein beruhigender Zuspruch. Alles wird gut. Alles wird gut.
    „Ich weiß nicht. Nicht so sehr, wie ich gehofft hatte. Der Tod von Bertrand beschäftigt mich hier auch. Nur mit mehr Pausen.“ Er seufzte und hob die Hände. „Aber was habe ich erwartet?“
    MacLoughlin verschränkte die Arme vor der Brust. „Mein Vater ist ebenfalls umgekommen“, sagte sie. „Britische Soldaten haben ihn bei Unruhen in Belfast erschossen, als ich noch klein war.“
    D’Albret schaute sie an. „Das tut mir leid. War er in der IRA?“
    MacLoughlin schüttelte den Kopf.
    Sie setzten sich auf einen Baumstamm oberhalb des Wassers.
    „Er war ein Kollateralschaden.“ Die Journalistin stützte das Kinn auf die Hand. „Meine Eltern waren strenggläubige Katholiken, aber nicht militant.“
    Immerhin hatten sie die Anwesenheit der britischen Soldaten in Belfast unerträglich gefunden und Anschläge der IRA nie verurteilt. Nach dem Tod ihres Mannes hatte Ashling MacLoughlin ihre Tochter allein großgezogen. Brea hatte Jesus geliebt und die Briten und die nordirischen Royalisten gehasst. Aber als junge Journalistin hatte sie sich verpflichtet gefühlt zu versuchen, die Sichtweise der Gegner in Nordirland objektiv zu betrachten. Sie war sich sicher gewesen, dass sie ihren Hass am Ende für gerechtfertigt halten würde. Immer weiter hatte sie sich zu den Ursprüngen des Konflikts vorgearbeitet, immer ratloser war sie geworden.
    Am Ende hatte sie begriffen, dass die Religionszugehörigkeit den Menschen nur dazu diente, sich als Mitglieder von Clans und Gruppen zu identifizieren, die versuchten, Vorteile für sich herauszuschlagen oder gemeinsam Angriffe abzuwehren. Sie war katholisch, weil ihre Eltern katholisch waren. Und die Unterschiede zum Glauben der Protestanten waren belanglos. Schließlich hatte MacLoughlin begonnen, sich mit der Kirche, ihren Ursprüngen, ihrer Geschichte und dann mit Religionen und religiösen Konflikten im Allgemeinen auseinanderzusetzen.
    Am Ende lehnte sie den Glauben, die Religion und die Haltung ihrer Mutter vollständig ab – und liebte sie trotzdem. Und vor diesem Hintergrund hatte sie begriffen, dass gute, friedliche Menschen

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