Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mythos

Mythos

Titel: Mythos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus C Schulte von Drach
Vom Netzwerk:
sagte er.
    „Aber brauchen Sie dazu wirklich Jesus, der Unmögliches fordert? Und wenn ich sage: Alle Menschen haben Mitgefühl, Respekt und Gerechtigkeit verdient?“
    „Jesus verfügt über göttliche Autorität“, antwortete d’Albret leise.
    „Und wer ihm nicht folgt, dem drohen Hölle und ewige Verdammnis.“ MacLoughlin schauderte. „Ein Lieblingsthema von Jesus.“
    Der Menschensohn, so hatte Jesus gedroht, würde seine Engel aussenden, und sie würden aus seinem Reich alle zusammenholen, die andere verführt und Gottes Gesetz übertreten hatten, und sie in den Ofen werfen, in dem das Feuer brannte. Dort würden sie heulen und mit den Zähnen knirschen.
    MacLoughlin schüttelte sich. „Damit bin dann wohl auch ich gemeint. Ganz ehrlich, mir macht die Liebe dieses Mannes eine Gänsehaut.“
    „Aber es ist doch kein Feuer gemeint, das den Körper verbrennt“, sagte d’Albret lächelnd. „Wer sich gegen die Liebe des barmherzigen Vaters entschieden hat, leidet in der völligen Leere eines Lebens ohne Gott. Die Hölle ist kein Ort. Sie ist die quälende Erkenntnis, dass einem das Paradies entgangen ist.“
    „Ich erinnere mich. Das interpretiert der Papst so, um Jesus sympathischer erscheinen zu lassen.“ MacLoughlin stand auf und hakte die Daumen hinter ihren Gürtel. „Unsere Moral kommt nicht aus heiligen Schriften. Wir finden dort nur Bruchstücke unserer grundsätzlich vorhandenen menschlichen Moral wieder. Und gewinnen daraus eine Menge unmoralische Ansichten. Nicht nur die Christen. Wie moralisch finden Sie es, dass die männlichen orthodoxen Juden beten: ‚Gesegnet seiest du, dass du mich nicht zu einer Frau gemacht hast.‘ Und wussten Sie, dass im Koran jede Sure mit den Worten ‚Im Namen Allahs, des Gnädigen, des Barmherzigen‘ beginnt? Und dann wird in diesem Buch ständig mit der Hölle gedroht. Gnade und Barmherzigkeit, Hölle und Tod und Terror, abgeschlagene Hände und 13-jährige Mädchen, die zu Tode gesteinigt …“
    Sie brach ab und wandte dem Priester den Rücken zu.
    Sie zittert ja, dachte d’Albret.
    Als MacLoughlin sich wieder umdrehte, funkelte das Mondlicht in ihren Augen. Lief ihr da eine Träne die Wange hinunter?
    „Ich glaube“, sagte sie leise, „Sie verstehen, was ich sagen will.“
    Donnerstag, 18. Juni, am Nebenarm des Río Supayacu, Peru
    Nebelfäden hingen zwischen Wasser und Wald, die Insekten und Frösche veranstalteten ihr abendliches Konzert. Es war die gleiche Art von Dämmerung, die über sie hereinfiel, wie die, als Pérez das erste Mal hier übernachtet hatte. Und doch war die Atmosphäre völlig anders. Er war nicht allein mit den Tieren. Und die ständigen Bewegungen, das Reden, Husten, Räuspern, ja selbst das Atmen der anderen störten ihn. Auch war es in den hohen Bäumen und Palmen, den Sträuchern und Farnen um sie herum auffällig still. Die Vögel hatten sich offenbar zurückgezogen.
    Pérez zündete den Gasbrenner an und bereitete das Abendessen zu. Die anderen nutzten die letzten Lichtstrahlen der Sonne, um an der Fundstelle zu arbeiten. Revilla hatte bereits begonnen, den Krokodilschädel weiter freizulegen und mit Planen zu sichern. Lindsay, die Amerikanerin, hielt selbst den kleinsten Schritt mit Kamera und Notizbuch fest, während Tanriverdi den beiden Paläontologen mit selbstzufriedenem Gesichtsausdruck über die Schulter sah.
    Auch Pérez hatte Revilla eine Weile neugierig zugesehen. Mit einer feinen Bürste hatte der Wissenschaftler den Schädel dort bearbeitet, wo die Pfeilspitze in den Knochen gedrungen war. Und das unzufriedene, nervöse Brummen, das er dabei ausstieß, hatte Tanriverdi mit breitem Grinsen quittiert. Immer wieder hatte Revilla seine Mitarbeiterin aufgefordert, die Stelle ebenfalls zu inspt Palls zuizieren, und die junge Frau hatte jedes Mal aufs Neue fassungslos den Kopf geschüttelt. Kurz hatte Revilla laut überlegt, weitere Wissenschaftler an den Fundort zu holen. Aber er hatte den Gedanken schnell wieder fallengelassen.
    Inzwischen war Pérez sicher, dass Revilla nicht anders konnte, als zuzugeben, dass es sich um einen unglaublichen Fund handelte. Eine mehrere Millionen Jahre alte Pfeilspitze, das war mehr als eine archäologische Sensation. Das war … das war … sie würden Geschichte schreiben, dachte Pérez zufrieden.
    Er malte sich bereits aus, wie er auf Empfängen bescheiden darauf hinweisen würde, dass es schieres Glück gewesen war, auf diesen Fund zu stoßen. „Aber das Glück“, hatte Louis

Weitere Kostenlose Bücher