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Mythos

Mythos

Titel: Mythos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus C Schulte von Drach
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ihr ins Wort. „Etwas, an dem sich auch Gott selbst orientieren müsste. Dann wäre er aber nicht Gott. Sie können gar nicht danach fragen, ob Gott moralisch ist.“
    „Ich verstehe es nicht“, sagte MacLoughlin. „Gott ist doch für Sie das Gute selbst. Aber woher wissen Sie, dass Gott gut ist und Gutes tut, wenn Sie über Gott nicht urteilen können? Also, woher auch immer meine atheistische Moral kommt – ich maße mir einassaße mi Urteil an über diesen Gott. Und es ist vernichtend.“
    Sie strich sich eine widerspenstige Haarsträhne aus der Stirn und streckte die Beine aus. „Wir können froh sein, dass fast alle Ereignisse, die im Alten Testament geschildert werden, nicht wirklich passiert sind. Das ist das Beste, was wir von diesem Buch sagen können!“
    Es wurde langsam kühl. D’Albret schauderte. Er knöpfte sein Hemd weiter zu.
    MacLoughlin legte dem Priester die Hand auf den Arm. D’Albret fiel auf, was für schlanke Finger die Irin hatte. Und dass ihre Fingernägel schmutzig waren.
    „Stellen Sie sich einmal vor, Gott würde Ihnen befehlen, mich umzubringen“, sagte sie. „Das dürfte für Sie kein moralisches Dilemma darstellen. Ist es aber, oder?“
    D’Albret seufzte. „Gott würde mir diesen Befehl nie geben.“
    „Er hat Abraham und Moses viel schlimmere Befehle gegeben. Und Jesus hat gesagt: ‚Jene meiner Feinde, die nicht wollten, dass ich über sie herrschen sollte, bringet her und erwürget sie vor mir.‘“ Sie sprang auf. „Das ist doch eindeutig“, rief sie. „Was für ein …“ Sie brach ab und wandte sich wieder dem Priester zu. „Mir droht also Strafe, weil ich Gottes Wille missachte. Ein Verbrechen. Aber im Grund Ihres Herzens wissen Sie, dass alle Verbrechen gegen Menschen verübt werden, nicht gegen ein himmlisches Wesen.“
    D’Albret schwieg eine Weile. „Wir nehmen viele Bibeltexte schon lange nicht mehr wörtlich“, sagte er schließlich. „Vielleicht gab es Moses, Noah und Abraham nicht. Es gibt keine archäologischen Hinweise auf den Exodus aus Ägypten …“
    „Und der Messias, von dem der Prophet Jesaja spricht, war der alte König Christus von Persien“, stellte MacLoughlin fest und setzte sich wieder hin. „Die Israeliten verehrten ihn, weil sie ihm die Rückkehr aus dem babylonischen Exil verdankten.“
    D’Albret zuckte mit den Achseln. „Ich bin mir sogar bewusst, dass es die Zehn Gebote in zwei Versionen gibt“, räumte er ein. „Und in der zweiten Version, die Gott Moses diktiert hat, nachdem der die ersten Steintafeln zerbrochen hat, steht nichts mehr vom Töten, Lügen, Ehebrechen. Dafür heißt es nun zum Beispiel: ‚Das Junge einer Ziege sollst du nicht in der Milch seiner Mutter kochen.‘“ Er lachte. „Das ist ziemlich bizarr, oder? Aber …“ Nachdenklich rieb er sich die Wangen. „Wir unterscheiden heute den Glaubensinhalt von der Form, in der er dargestellt wird.“
    „Dann sage ich wie Kohelet in den Büchern der Weisheit: ‚Windhauch, Windhauch, alles Windhauch.‘“
    D’Albret schüttelte den Kopf. „Heute geht es uns zu allererst um Jesu Botschaft …“
    „Nein!“, lachte MacLoughlin. „So leicht kommen Sie mir nicht davon. Sie erzählen Kindern Geschichten aus dem Alten Testament, um ihnen eine Vorstellung von Gottes Macht beizubringen. Warum schwören Politiker auf ein Buch, in dem Völkermord und das Töten von Kindern als gottgefällig dargestellt werden?“
    „Jesus hat das Auge für Auge und Zahn für Zahn abgeschafft: ‚Wenn dich einer auf die rechte Wange schlägt, dann halt ihm auch die andere hin.‘“ Mit hochgezogenen Brauen schaute d’Albret MacLoughlin in die Augen. „‚Ihr habt gehört, dass gesagt worden ist: Du sollst deinen Nächsten lieben und deinen Feind hassen. Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen.‘“
    MacLoughlin zupfte erneut an ihren Haaren herum. Es machte d’Albret nervös.
    „Also, ich liebe die, die mein Herz erobern“, sagte die Journalistin. „Die es verdienen. Ich kann meine Nächsten respektieren und versuchen, meine Feinde zu verstehen. Aber auf Befehl zu lieben, ist genauso unmöglich, wie jemanden auf Befehl nicht zu lieben.“
    D’Albret zuckte zusammen. Wieso sagte sie das? Sie konnte nichts wissen von … Er musste sich zusammenreißen. Es ging hier nicht um seine persönlichen Priebönlichobleme.
    „Der Versuch, dem Gebot der Nächstenliebe zu folgen, kann mich zu einem mitfühlenderen, besseren Menschen machen“,

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