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Mythos

Mythos

Titel: Mythos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus C Schulte von Drach
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Merdrignac zu reisen, wäre auf jeden Fall besser, als hier im eigenen Saft zu schmoren. Außerdem könnte er mit dem Kardinal von Angesicht zu Angesicht sprechen. Er müsste ihm nicht wieder am Telefon beichten. Er war sicher, dass Merdrignac ihm wieder helfen konnte. Ihm helfen würde.
    „Das ist großartig.“ Seine Begeisterung war etwas bemüht, doch Merdrignac schien das nicht zu bemerken.
    „Ja“, rief der Kardinal. „Ich fliege übermorgen früh von Rom aus los. Über Madrid. Ich werde dafür sorgen, dass du einen Platz in der Maschine nach Lima bekommst. Wir treffen uns dann in Madrid. Das wäre am einfachsten. Du musst nur deine Reise dorthin organisieren.“
    Er wartete, bis d’Albret einen Stift gefunden hatte, und gab ihm die Daten der Flugverbindung durch.
    Während d’Albret schrieb, hörte er ein Klopfen an der Tür. Er erwartete niemanden und konnte sich nicht vorstellen, wer ihn jetzt besuchen könnte. Er wollte mit niemandem sprechen und schrieb weiter.
    Erneut klopfte es. Laut und ungeduldig. Genervt notierte er die Angaben des Kardinals zu Ende und ging dann mit dem Telefon in der Hand in die Diele.
    „Bei mir ist jemand an der Tür“, erklärte er Merdrignac. „Augenblick mal.“
    Er legte das Telefon auf die niedrige Kommode. Dann öffnete er mit einem Ruck die klemmende Wohnungstür. Erschrocken schre ehrockenie die Frau auf, die im Hausflur auf der Treppe saß. Nora Tilly.
    Er hob die Hände. „Nur die Ruhe. Ich bin es bloß“, sagte er. Er zeigte auf die Tür. „Die geht nur noch mit Gewalt auf und zu.“
    Er stemmte die Hände in die Hüften und wollte sie gerade fragen, was sie bei ihm wollte, als ihm auffiel, wie blass sie war.
    „Vielleicht wollen Sie erstmal hereinkommen?“, fragte er und trat einen Schritt zurück. Tilly hob ihren Rucksack und ihre Ledertasche auf, ging an ihm vorbei in die Wohnung und direkt ins Wohnzimmer. D’Albret zog die Tür hinter ihr zu und nahm das Telefon wieder auf.
    „Was war denn das?“, fragte der Kardinal irritiert. „Habe ich da eine Frau schreien gehört? Du bekommst Frauenbesuch?“
    D’Albret seufzte. Er konnte Merdrignac wohl nicht vorwerfen, dass er das unter den gegebenen Umständen etwas seltsam fand.
    „Das ist Nora Tilly aus …“ Woher kam sie eigentlich? Er hatte keine Ahnung. „Aus Deutschland“, beendete er den Satz. „Sie hat Padre Belotti im Indienarchiv kennengelernt und ihm geholfen, einige Dokumente zu übersetzen.“
    „Und weshalb kommt sie um diese Uhrzeit bei dir vorbei?“
    „Genau das muss ich sie wohl jetzt fragen“, antwortete d’Albret. Er seufzte. „Bertrand“, sagte er so leise, dass es die junge Frau im Wohnzimmer nicht hören würde, „ich werde nicht zum Triebtäter, weil ich mich in Génicourt in eine Frau verliebt habe.“
    Obwohl vielleicht doch einiges dafür sprach, fügte er im Geiste hinzu.
    Merdrignac klang ein wenig verdrossen, als sie sich verabschiedeten.
    Nora Tilly saß im Wohnzimmer auf dem Sofa und hielt mit beiden Händen die Ledertasche auf dem Schoß fest. Den Rucksack hatte sie neben dem Sekretär auf den Boden fallen lassen. Sie schaute ihm mit zusammengekniffenem Mund entgegen.
    „Guten Abend“, begrüßte er sie. „Wollen Sie etwas trinken?“, fragte er, weil ihm nichts Besseres einfiel. „Es ist noch Bier da.“
    Tilly räusperte sich. „Gern.“
    Als d’Albret zurückkam, hatte sie ihre Position keinen Millimeter geändert.
    „Und?“, fragte er sie, nachdem er ihr ein Bier gereicht hatte. Sie setzte die Flasche an den Mund und nahm einen langen Schluck.
    „Tja. Und.“ Sie rieb sich die Stirn. „Wieso sitze ich hier auf Ihrem Sofa?“ Sie warf einen Blick zu dem Rucksack hinüber. „Mit Sack und Pack?“
    D’Albret zog die Augenbrauen hoch.
    „Ich brauche Ihre Hilfe“, sagte sie. Sie zupfte am Kragen ihrer Bluse und beugte sich vor. „Ich habe Ihnen nicht ganz die Wahrheit gesagt“, begann sie. „Ich arbeite nicht als Historikerin. Ich suche in alten Dokumenten für eine amerikanische Firma nach Hinweisen auf Schätze.“
    D’Albret lachte. Dann sah er, dass die Knie der jungen Frau zitterten. Sie drückte ihre Ledertasche auf die Oberschenkel, um das Zittern zu unterdrücken.
    „Okay“, sagte er ernst. „Und weiter?“
    Leise erzählte Tilly ihm von den Papieren von Caspar Ritz und welchen Zusammenhang es zwischen dem Schweizer und Juan de la Torre gab, dessen Beichte d’Albret vorgelesen hatte. Dass sie offensichtlich verfolgt wurde. Dass man

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