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Mythos

Mythos

Titel: Mythos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus C Schulte von Drach
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Paulusbriefe lesen und versuchen zu verstehen, was Jesus über Gott gesagt hatte. Wieder einmal stellte MacLoughlin fest, dass Theologie offenbar vor allem Paululogie war, wie sie es nannte.
    Sie hatte es versucht. Vergeblich. Da gab es nichts zu verstehen, außer dass man das, was behauptet wurde, zu akzeptieren hatte.
    Man bedurfte eben einer vom Herzen erleuchteten Vernunft, damit man lernte, nach der Wahrheit in der Liebe zu handeln, sagte Benedikt XVI. Und das geschah nicht ohne eine innere Beziehung zu Gott.
    Ich hasse alle Religionen von ganzem Herzen – ist das auch vom Herzen erleuchtete Vernunft?, fragte sich die Journalistin.
    Eigentlich hatte der heilige Anselm von Canterbury die Sache mit dem Verstand schon vor langer Zeit erklärt: „Ich suche nicht zu begreifen, um zu glauben, sondern ich glaube, um zu begreifen.“
    Aber dann, dachte MacLoughlin, geht es nicht um Wahrheit.
    Paulus sagte ja auch, dass die Liebe weiter sah als der einfache Verstand. Das hörte sich wunderschön an. Andererseits hieß es auch: uryß es aLiebe macht blind. Aber das stand nicht in der Bibel.
    MacLoughlin schüttelte den Kopf. Ihr war ein Rätsel, wie jemand damit zufrieden sein konnte, dass zuvorderst immer der Glaube gefordert wurde, den dann im Nachhinein die Vernunft rechtfertigen sollte. Das war einfach die falsche Reihenfolge.
    Aber eigentlich, so erklärte der Papst, ging es immer nur um die Liebe. Gott war Liebe, reinste, unendliche und ewige Liebe. Und auch das zentrale Geheimnis des Christentums ließ sich in einem Wort zusammenfassen: Liebe.
    MacLoughlin klopfte sich mit einen Kugelschreiber gegen die Zähne. Es wurde noch verwirrender. Der Papst führte gleich das ganze Universum ins Feld: „Von unserer Erde, den Planeten, Sternen und Galaxien bis hin zu den Zellen, Atomen und Elementarteilchen: In allem, was ist, ist in einer gewissen Weise der Name der Heiligsten Dreifaltigkeit eingeprägt, da das ganze Sein, bis hin zum letzten Teilchen, ein Sein in Beziehung ist. Und so wird der Gott erkennbar, der Beziehung ist, so wird letztlich die schöpferische Liebe erkennbar. Alles geht aus der Liebe hervor, strebt hin zur Liebe und bewegt sich angetrieben von der Liebe – natürlich mit verschiedenen Graden des Bewusstseins und der Freiheit.“
    MacLoughlin seufzte laut. Gottes Liebe offenbarte sich also in der physikalischen Beziehung zwischen Materie? Ob es auch ein Zeichen für Liebe war, dass unsere Erde in einigen Milliarden Jahren aufgrund der Liebe zwischen den Teilchen in der Hitze der Sonne verglühen würde?
    MacLoughlin war zutiefst bestürzt. Was für ein Unsinn. Sie lehnte sich zurück und massierte sich die Schläfen. Man konnte ihr nicht vorwerfen, sie würde sich nicht bemühen, das alles zu verstehen. War sie voreingenommen? Klar! Aber das war sie auch gegenüber der Quantenphysik. Trotzdem akzeptierte sie, dass die Phänomene, die sie beschrieben, real waren. Aber was der Papst behauptete … nicht die Elemente des Kosmos, die Gesetze der Materie und der Evolution sollten letztlich über die Welt und den Menschen herrschen. Die letzte Institution waren ihm zufolge Verstand, Wille, Liebe – ein persönlicher Gott. Wenn wir diese Person kannten und sie uns kannte, dann war wirklich die unerbittliche Macht der materiellen Ordnungen nicht mehr das Letzte. Wir waren dann nicht Sklaven des Alls und seiner Gesetze. Wir waren frei.
    Und frei sein will jeder, dachte MacLoughlin. Wenn es doch nur den Hauch eines Beweises gäbe. Nur den Hauch! Aber gerade diese Forderung war ja Zeichen ihrer persönlichen Schwäche. „Die Glaubensgewissheit ist eine Hoffnungsgewissheit“, sagte der Papst. Und der stärkste Beweis für die Richtigkeit des Glaubens war und blieb die Liebe selbst: „Nur die Liebe macht uns glücklich, denn wir leben in Beziehung; und wir leben, um zu lieben und geliebt zu werden. Unter Verwendung einer Analogie, die der Biologie entstammt, könnten wir sagen, dass das Sein des Menschen die tiefe Spur der Dreifaltigkeit – des Gottes, der die Liebe ist – in seinem Genom trägt.“
    Oh, bitte, dachte MacLoughlin. Erst setzte der Papst die Beziehung zwischen Materie mit den Beziehungen zwischen Menschen gleich, und dann erkannte er im genetisch verankerten Bedürfnis nach Liebe einen Beweis für Gott?
    „Wenn ich mit Menschen- und Engelszungen redete und hätte die Liebe nicht, so wäre ich ein tönendes Erz oder eine klingende Schelle“, hatte Paulus gesagt. „Nun aber bleiben Glaube,

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