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Mythos

Mythos

Titel: Mythos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus C Schulte von Drach
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Fassade im Kolonialstil heraus. Ein großer Torbogen mit schmiedeeisernen Gittern und einer Milchglastür öffnete sich in einen hohen, schwarzweiß gekachelten Innenhof mit großen Blumentöpfen und Holzbänken.
    Tilly nahm das letzte Einzelzimmer mit Bad. Van der Merwe würde sich Dusche und Toilette mit anderen Gästen teilen müssen. Sie deponierten ihre Wertsachen, Dokumente und das Notebook im Safe und richteten sich in ihren Zimmern ein. Dann trafen sie sich wieder an der Rezeption zu einem Ausflug in die Innenstadt.
    Sie marschierten hinein ins historische, 1535 von Francisco Pizarro gegründete Zentrum Limas, der alten Ciudad de los Reyes. Tilly erinnerte der vorherrschende Baustil an Sevilla und Madrid. Einst der Mittelpunkt der Aristokratie und des Wohlstands in Perus Hauptstadt, stieß man hier heute auf Einkaufszentren und Straßenhändler, die von Wasserhähnen und Früchten bis zu Sonnenbrillen und Nagelscheren alles feilboten.
    Kinos, Banken, Restaurants, Boutiquen bildeten die Kulisse der Geldwechsler in ihren gelben Westen. Auf der Plaza de Armas bestaunten sie das gelbe Rathaus im neokolonialen Stil, den barocken erzbischöflichen Palais, den grauen Regierungspalast und die Kathedrale aus dem 17. Jahrhundert. Polizisten hatten sich hier und dort hinter großen, durchsichtigen Schutzschildern aufgebaut.
    Der Hunger trieb Tilly und van der Merwe in ein Restaurant in der Nähe der Plaza. Sie verspeisten ein Steak Montado und probierten die goldfarbene, viel zu süße Inca Kola.
    Tilly fühlte sich wohl. Sie wusste inzwischen, dass van der Merwe ein Jahr älter war als sie und seit seinem Schulabschluss als Fotograf in der Welt herumreiste auf der Suche nach dem perfekten Motiv.
    Sein Ziel war, Kriegsberichterstatter zu werden. Die Proteste der Indigenen, die mit Speeren, Pfeilen und Bögen bewaffnet die Land- und Wasserwege in den Amazonasgebieten blockierten, betrachtete er als eine Art Einstieg. Das war kein Krieg, aber immerhin schon ein richtiger Konflikt.
    „Die Polizei ist da, und die Militär marschiert jetzt auch auf“, sagte er und lßgte er egte das Gesicht in Sorgenfalten. „Vielleicht knallt es noch richtig.“
    „Und da willst du dabei sein?“ Tilly tippte sich an die Stirn. „Ich hoffe, der Aufstand ist ganz schnell vorbei, damit ich ohne Risiko Chachapoyas besuchen kann.“
    „Da denkst du nur an deine Urlaub?“, fragte van der Merwe. „Für die Indigenen geht es um die Lebensgrundlage. Fahr doch lieber nach Cuzco, geh den Inka-Trail. Da will ich später auch noch hin, wenn ich mit meine Arbeit fertig bin.“
    Tilly stieß ihm die Hand vor die Brust. „Ich habe mir in den Kopf gesetzt, die Wolkenmenschen von Chachapoyas …“, begann sie trotzig. Als Arie nach ihrer Hand griff, zeichneten sich unter dem engen Stoff seines Longsleeves eindrucksvolle Muskelstränge ab.
    „Und dann tust du das auch“, beendete er ihren Satz. „Du weißt, was du willst.“ Er schaute ihr lange in die Augen.
    Sie erwiderte seinen Blick – und in dieser Sekunde sah sie sich schon mit ihm im Bett. Und warum auch nicht? Sie musste sich niemandem gegenüber verantworten.
    Sie zahlten und spazierten noch einmal über die Plaza de Armas. Es wurde langsam dunkel, aber die Betriebsamkeit auf dem hell erleuchteten Platz und den dunklen Straßen hatte kaum abgenommen.
    Sie nahmen ihren Weg durch einige Nebenstraßen, balancierten um die Tische der Straßenhändler herum. Arie van der Merwe ging einige Schritte vor Nora Tilly und verschwand plötzlich in einer Gruppe von Menschen, die auf eine Lücke im Autoverkehr warteten, um die Straße zu überqueren. Als er aus dem Gedränge heraustrat, schaute er verwirrt auf sein Handgelenk. Seine Uhr war weg. Im nächsten Augenblick waren die Menschen um sie herum verschwunden.
    Van der Merwe amüsierte sich köstlich. „Das ist eine Ding, was?“, rief er. „Die arbeiten hier im Team. Zum Glück war das nur eine ganz billige Uhr.“
    Er klopfte sich auf die Gesäßtasche, wo sein Portemonnaie steckte. Sie überprüfte die Innentasche ihrer Lederjacke und fand ihren Geldbeutel.
    „Gedrang sollten wir in Zukunft vermeiden“, stellte van der Merwe fest und legte ihr den Arm um die Schultern. „Das ist hier eine lukrative Einnahmequelle für den Middenstand, so wie diese Lieden aussehen.“
    Blitzschnell hatte er in ihre Jacke gegriffen und die Hand in der Innentasche. „Das ist nicht vast genug“, tadelte er sie grinsend. Sie spürte seinen Arm auf ihrer

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