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Mythos

Mythos

Titel: Mythos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus C Schulte von Drach
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sich, packte den schlaffen Körper des Diebes und zerrte ihn hastig hinüber in sein Zimmer.
    Was tat der Niederländer da?
    Die Tür hinter ihr öffnete sich. Ein junger Mann blinzelte im Flurlicht. Hinter ihm tauchte die Silhouette einer Frau auf.
    „What’s going on?“, fragte der Amerikaner. Er schaute von Tilly zu van der Merwes Tür hinüber, die gerade zufiel.
    Tilly drückte sich ihr Notebook an die Brust und schüttelte den Kopf.
    Schnelle Schritte kamen näher. Der alte Peruaner, bei dem sie am Abend eingecheckt hatten, tauchte auf. Er blinzelte verwundert, als sein Blick auf die junge Deutsche fiel, die in Unterwäsche im Gang stand und sich an einen Laptop klammerte. Dann schaute er auf den Amerikaner. Der zuckte mit den Achseln und zog sich in sein Zimmer zurück.
    „Qué ocurre?“, fragte der Portier. „Was machen Sie hier, mitten in der Nacht?“
    „Ich bin …“, begann Tilly. Sie brach ab. Sie hatte keine Ahnung, was sie sagen sollte. Dass sie überfallen worden war und … und dastt … uns sie und Arie van der Merwe jemanden getötet hatten? Erst jetzt wurde ihr wirklich klar, was passiert war. Sie brachte kein Wort mehr über die Lippen. Die Wände rückten auf sie zu, der Gang wand sich vor ihr hin und her, das Flurlicht schien ihr grell in die Augen, hüllte alles in gelbe Strahlenkränze. Sie stand noch immer aufrecht, aber sie fühlte sich, als sei sie erneut geschockt worden.
    Der Portier starrte auf ihr Notebook. Und da wusste Tilly, was sie zu tun hatte. Sie hielt dem Mann den Computer entgegen. „Können Sie den bitte wieder in den Safe einschließen?“, flüsterte sie.
    Der Peruaner runzelte die Stirn. „Natürlich.“ Er drehte sich kopfschüttelnd um. Tilly folgte ihm zur Rezeption.
    „Brauchen Sie sonst noch etwas?“, fragte der Portier, nachdem er den Laptop weggeschlossen hatte. „Ich würde nämlich jetzt gern ins Bett.“
    Tilly schüttelte den Kopf und wankte zu van der Merwes Zimmer zurück.
    Der Niederländer hockte in seinem Zimmer mit dem Rücken an der Wand auf den Fersen, die Finger in die Haare gekrallt.
    Der tote Junge lag vor seinem Bett. Seine Augen blickten trübe und starr an die Decke.
    „Ik heb hem omgebracht“, flüsterte van der Merwe. „Wir …“
    Wir haben ihn umgebracht, beendete Tilly den Satz im Geiste. Angesichts der Verzweiflung des Niederländers wurde sie plötzlich ruhig.
    „Arie“, flüsterte sie. „Das war ein Unfall.“
    Van der Merwe fuhr sich mit den Händen über das Gesicht und schaute zu ihr hoch. „Was sollen wir denn jetzt machen?“
    Sie wusste es nicht. Sie mussten die Polizei rufen, oder?
    Van der Merwe kam mühsam wieder auf die Beine. „Hat jemand was gemerkt?“, fragte er und wies auf die Tür.
    Tilly schüttelte den Kopf. „Ich glaube nicht.“
    Er griff nach ihrem Arm. „Nora, ich will nicht ins Gefängnis.“
    Er zeigte auf die Leiche am Boden. „Du hast recht. Das war ein Unfall. Du weißt das. Du hast ja selbst mit ihm um das Notebook gerungen. Aber die Polizei wird uns festhalten.“ Er hob die Augenbrauen. „Wir sind hier in Südamerika, verdomme, nicht in deine Duitsland“, sagte er, als hätte sie bereits widersprochen.
    „Aber was willst du denn machen?“, fragte sie atemlos.
    Van der Merwe stand vorgebeugt, stützte die Hände auf den Oberschenkeln ab. Dann straffte sich sein Körper. „Wir schaffen ihn weg. Wir werden ihn los“, flüsterte er eindringlich. „Ist noch jemand an der Rezeption?“
    „Nein“, sagte Tilly. „Ich war gerade dort und habe meinen Computer wieder im Safe deponiert. Danach ist der Portier schlafen gegangen.“
    Van der Merwe schaute sie einen Augenblick nachdenklich an. Dann atmete er tief ein. „Wir nehmen ihn zwischen uns und tun so, als müssten wir eine dronkeman helfen.“
    Ohne zu antworten, ging Tilly in ihr Zimmer und zog sich an. Als sie in van der Merwes Zimmer zurückkehrte, hob der Niederländer den Oberkörper des Toten in die Höhe, legte den Arm um seine Brust und hob ihn auf. Die Beine der Leichebaumelten schlaff herab.
    „Setz ihm die Mütze auf und zieh sie ihm ins Gesicht.“
    Tilly tat, was er sagte, mechanisch, ohne nachzudenken. Sie legte sich den linken Arm des Toten um den Nacken. Der Junge war nicht sehr schwer. Gemeinsam schleppten sie die Leiche an der leeren Rezeption vorbei hinaus.
    Auf der Straße waren nur wenige Passanten unterwegs, die Köpfe zwischen die Schultern gezogen, eilten sie von einem Lichtkegel der vereinzelten

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