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Mythos

Mythos

Titel: Mythos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus C Schulte von Drach
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Freiheit. Die kann man missbrauchen und sich für das Böse entscheiden.“ Der Kardinal holte Luft, seine Wangen hatten sich gerötet. „Ich zitiere hier übrigens den Papst. Gott und das Gute sind das Licht. Das Böse bleibt geheimnisvoll. Und weil Gott mit seinem Licht stärker ist als das Böse, kann es überwunden werden. Deshalb sind wir vom Bösen heilbar. Und Gott hat uns geheilt. Er ist selbst in die Geschichte eingetreten und hat der ständigen Quelle des Bösen eine Quelle des reinen Guten entgegengesetzt, den gekreuzigten und auferstandenen Christus, der der schmutzigen Flut des Bösen eine Flut des Lichtes entgegensetzt.“
    MacLoughlins Gesicht zuckte. Sie legte die Hand vor den Mund.
    Merdrignac fuhr unbeirrt fort: „Adams Sünde hatte Folgen für die gesamte Menschheit. Aber durch die Gnadentat Jesu wird allen die Gabe der Gerechtigkeit zuteil.“
    Er drehte sich zu dem jungen Priester. „Arnaud, erkläre der jungen Frau das doch mal.“ Er lehnte sich schwer atmend zurück.
    D’Albret warf ihm einen besorgten Blick zu. Dann wandte er sich an die Journalistin. „Einerseits“, erklärte er, „sind wir der Erbsünde ausgeliefert. Andererseits trägt jeder Verantwortung für seine eigenen Sünden. Die Befreiung von der Sünde Adams und von unseren eigenen Sünden durch Christus schenkt uns die Freiheit, ein neues Leben im Dienst des Herrn zu führen und uns auch unserer Mitmenschen und der ganzen Schöpfung anzunehmen, die bis zum heutigen Tage unter der Last der Sünde seufzen.“
    Merdrignac nickte und lächelte die Journalistin erwartungsvoll an.
    MacLoughlin stützte das Kinn auf die Faust. „Licht, das stärker ist als das Böse, aber selbst geheimnisvoll bleibt? Was erklärt das? Und auch diese Sache mit der Sünde macht nur Sinn, wenn man an einen Adam und einen Baum der Erkenntnis glaubt. Adam hat aber niemals existiert. Die Grundlage Ihres Glaubens sind Mythen, an denen Sie festhalten wie die Konquistadoren, die hier in Peru nach El Dorado gesucht haben. Die Spanier sind dabei über Leichen gegangen – wie Ihre Kirche auch.“
    „Aber …“, versuchte Merdrignac sie zu unterbrechen.
    „Augenblick bitte“, sagte MacLoughlin. „Ihre Erklärung, das Böse entspringe einer missbrauchten Freiheit, ist auch ein Schlag ins Gesicht von Menschen wie mir.“
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    „Sie beleidigen alle, die Erklärungen für das Verhalten des Menschen in seiner Sozialisation, seinen Genen und seiner Entwicklungsgeschichte suchen. Sie unterstellen Leuten wie mir, den Egoismus zu fördern, und schieben uns die Verantwortung für eine Flut des Bösen in die Schuhe.“
    MacLoughlin hob die Augenbrauen. „Schauen Sie sich mal an, was für Fluten des Bösen sich im Namen der verschiedenen Religionen bereits über die Welt ergossen haben und immer noch ergießen. Sie wissen schon. Deus vult.“
    „Gott will es“, übersetzte d’Albret für sich. „Der Schlachtruf der Kreuzritter.“
    „Hexenverbrennungen, Inquisition“, sagte MacLoughlin. „Sklavenjagd unter der Fahne des Christusordens. Und was haben wohl die islamischen Terroristen vom 11. September gedacht, als sie die Flugzeuge ins World Trade Center steuerten?“ MacLoughlin schaute auf ihre Finger, die den Stil ihres Weinglases umklammerten.
    Merdrignac nutzte die Gelegenheit, um das Wort zu ergreifen. „Die christliche Kirche von heute ist nicht mehr die Kirche von gestern.“
    MacLoughlin stülpte die Lippen vor. „Das weiß ich. Aber es ging und geht den Vertretern jeden Glaubens – bewusst oder unbewusst – immer um Macht, um Einfluss. Schon die frühesten Anhänger Jesu versprachen sich Vorteile davon, als Erste zu einer Gruppe von Menschen mit exklusiven Rechten auf ein Leben nach dem Tode zu gehören. Später musste die Zahl der Mitstreiter wachsen, um gegenüber konkurrierenden Sekten bestehen zu können. Auch wuchs die Macht der Führer mit der Größe der Gruppe. Langer Rede kurzer Sinn: Ich behaupte, selbst hinter Ihrer vordergründig uneigennützigen Arbeit stecken handfeste, egoistische Interessen. Gläubige Christen wie Sie waren und sind genauso viel oder wenig Teil einer Flut des Bösen wie die Atheisten.“
    „Ich glaube, Sie haben keine Ahnung, mit wem Sie hier eigentlich sprechen“, rief d’Albret erbost.
    Kardinal Merdrignac legte ihm beschwichtigend die Hand auf den Arm. Er wirkte erschöpft. „Das Gespräch mit Ihnen ist äußerst anregend“, sagte er. „Das meine ich ernst. Sie machen sich wenigstens Gedanken.

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