Na endlich Liebling
Polizei an!«
Mit einem letzten Blick sah
Justin, wie Liebe und Mitgefühl Clives erzürntes Gesicht veränderten, als er
sich über das weinende Mädchen beugte.
Und er selbst? Er kam sich wie
ein Esel vor. Vielleicht wie ein dankbarer Esel. Wie auch immer — es war jetzt
nicht die Zeit für Selbstbetrachtungen. Aber das Mädchen mußte doch einen
Knacks haben, daß sie sich so einfach jemandem an den Hals warf... Clive schien
jedoch durchaus in der Lage, damit fertig zu werden.
23
Justin drückte auf den
Anlasser, der alte Karren schien die Notlage zu erkennen und sprang sofort an.
Da tauchte Flick vor der Kühlerhaube auf, fest entschlossen, an dieser
Unternehmung teilzuhaben, und wenn er überfahren würde. Mit einem
fürchterlichen Fluch sprang Justin heraus, hob den Hund hoch, öffnete die
Küchentür und warf ihn hinein. Er machte die Tür nur einen Spalt auf, obwohl
Clive, wie er ihn kannte, jetzt
sicher nicht an Liebe dachte, sondern die Polizei alarmierte.
Er rannte zum Wagen zurück, wo
Percy sich gerade in aller Ruhe eine Zigarette anzündete. War sich der alte
Narr nicht der Gefahr bewußt, in der Diana sich befand? Aber dann sah er, daß
die Hand, die das Streichholz hielt, zitterte.
Justin fuhr nicht gerade
vorschriftsmäßig. Nach einer schnellen Wendung machte er die Scheinwerfer aus
und begnügte sich mit Standlicht. Er kannte ja die Straße.
»Warum fährst du mit
Standlicht?« fragte Percy nervös.
»Ich will kein Warnsignal
geben. Wenn der Kerl in der Nähe ist, wollen wir uns nicht noch mehr bemerkbar
machen, als wir es mit diesem verflixten Motorgeknatter schon tun.«
»Mir scheint, du übertreibst.
Ich möchte nicht im Straßengraben landen.«
Justin wunderte sich, aber er
bewahrte die Ruhe. »Das möchte ich auch nicht. Wenn wir in der letzten Kehre
sind, schalte ich den Motor ab und lasse den Wagen bergab rollen... Ich habe
den Schürhaken vergessen. Hast du die Flinte?«
Percy tastete im Dunkeln umher
und stellte dann erschrocken fest, daß er darauf saß. Vorsichtig zog er die
Waffe hervor und hantierte daran herum, um sie zu laden. Im Ernstfall kann man
heute nicht auf ihn rechnen, dachte Justin. Ohne Zweifel war Percy, verglichen
mit seiner sonst so geduldigen Art, verändert. Er stöhnte sogar ein bißchen,
als der Wagen lautlos vor dem Eingang zur Schule hielt. »Wir gehen die letzten
Schritte zu Fuß«, flüsterte Justin. »Tritt leise auf!«
»In meinen alten Tagen muß ich
jetzt auch noch Indianer spielen... es ist ganz schön steil.«
Justin war enttäuscht. Immer
hatte er gemeint, daß Percy ein idealer Kampfgenosse sein würde. Mit äußerster
Vorsicht schlich er den Kiespfad hinan und
beobachtete wachsam alle Schatten, die sich zwischen den Bäumen bewegten. Schon
glaubte er, etwas zu entdecken und entriß Percy die
Flinte. »Um Gottes willen, paß auf, was du machst!« protestierte der mit lauter
Stimme. »Das Biest könnte nach hinten losgehen!«
Was in aller Welt war nur mit
Percy geschehen? War es ihm denn nicht bewußt, daß Diana äußerst gefährdet war?
Stolpernd rannte er die letzten Meter und erreichte atemlos die Veranda. Das
Haus lag in unheimlicher Stille, aber im Wohnzimmer brannte Licht. Was würde er
dort entdecken? Mit angehaltenem Atem schlich er zum Fenster und blieb bei dem
Anblick, der sich ihm bot, verblüfft stehen.
Diana lag gemütlich auf dem
Sofa, ein Buch in der Hand, eine Zigarette zwischen den Lippen; neben ihr stand
eine Tasse mit dampfendem Kaffee.
Aber das war doch Wahnsinn! Sie
diente dem bewaffneten Flüchtling ja geradezu als Zielscheibe!
Er öffnete leise die Verandatür
und sprach sie in ruhigem Ton an. Er fürchtete, sie durch sein plötzliches
Erscheinen zu erschrecken. Aber diese Vorsicht war unnötig. Diana blickte hoch
und nahm die Beine vom Sofa.
»Hallo, Bill! Nett von dir, daß
du so schnell gekommen bist! Magst du eine Tasse Kaffee?«
»Wo ist er? Bist du verletzt?
Hat er sich versteckt?«
»Ich weiß nicht. Vermutlich war
er gar nicht hier... Komm, trink eine Tasse Kaffee, du siehst so aufgeregt und
durcheinander aus.«
»Durcheinander und aufgeregt...
Das will ich meinen! Was ist denn los? Percy sagte... Zum Donner, wo ist denn Percy?«
»Wahrscheinlich versteckt er
sich auf der Veranda. Komm, Percy, sei kein Feigling! Die Stunde der Wahrheit
ist da!«
Widerwillig kam Percy heran.
Wenn ein Mann von seinen Ausmaßen sich schlängeln kann, so tat er das jetzt.
Diana war offensichtlich nicht bei
Weitere Kostenlose Bücher