Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Na Servus! Wie ich lernte, die Bayern zu lieben

Na Servus! Wie ich lernte, die Bayern zu lieben

Titel: Na Servus! Wie ich lernte, die Bayern zu lieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Glubrecht
Vom Netzwerk:
ob ich Lust auf eine Bergwanderung habe.
    «Ich habe meinen Stammgast da», sage ich.
    «Ist doch super, kannst du mitnehmen, dann sieht der auch mal was von der Welt.» Roni rät uns, festes Schuhwerk und eine Jacke mitzunehmen.
    Am nächsten Tag stehen wir Punkt sieben vor der Haustür – als Wanderer verkleidet, nein, als Gangsta wanderer: Jochen trägt spitz zulaufende Swear-Lederschuhe («Aus London», betont er) und eine Jeans, dazu einen blauen Strickpulli. Ich habe meine altbewährten, ehemals weißen Chucks herausgekramt, trage Baggypants und einen weißen Kapuzenpulli mit Bergmotiv. Darunter steht «Cypress Hill».
    Um Viertel nach sieben halten drei Autos vor dem Haus: ein Kombi, ein Jeep und ein Fiat Panda. Roni steigt aus dem Panda, ich stelle ihr Jochen vor. Der sagt tatsächlich «Servus». Wir winken den Gestalten in den anderen beiden Autos zu. Am Steuer des Fiats sitzt Nunja, die ich mal gemeinsam mit Roni im Englischen Garten getroffen habe. Daneben ihr Freund Jan. Der war damals auch dabei. Beide begrüßen mich wie einen alten Bekannten. «Hey», sagt Jan, «wir kennen uns doch von der Schwanzwiese.» Jochen schaut mich verwundert an, sagt aber nichts. Dann quetschen wir uns zu dritt hinten auf die Rückbank des Fiats und fahren los.
    Wir verlassen München über den Ring in Richtung weites Land. Da es im Wagen sehr eng ist, sitze ich dicht an Roni. Sie duftet ganz leicht nach einem Parfüm, das mich an eine alte Jugendliebe erinnert. Ich fühle mich wie ein Schuljunge und konzentriere mich ganz auf meinen Oberschenkel, der direkt neben ihrem liegt.
    Aus dem Fenster sehe ich entlang der Dorfstraßen bald nur noch weiße oder leicht gelbliche Einfamilienhäuser. Die Vorgärten werden ordentlicher, zuerst nehmen die hellbraunen Holzvertäfelungen zu, dann sehe ich immer mehr Bauernhöfe. Zweimal müssen wir anhalten, weil jemand Kühe über die Straße treibt. Nach einer Stunde Fahrt mehren sich die Kurven. Mir wird ein bisschen übel.
    Wir erreichen den Parkplatz unterhalb der Höllkropfspitze. Trotz ihres gefährlichen Namens sei sie bloß einer der harmloseren Münchener Hausberge, erklärt Roni. So nennen die Münchener alle Berge, die in der Nähe ihrer Häuser liegen. Auf dem Parkplatz vor der Höllkropfspitze lerne ich die anderen zehn Mitglieder unserer Wandergruppe kennen. Sie haben alle ziemlich extravagante Spitznamen: Tatsch, Flop, Johnny oder Tennis zum Beispiel. Ich kann mir erst mal nur die der beiden kleinen und ewig blödelnden Zwillingsbrüder merken. Sie heißen Copy und Paste.
    Eigentlich sieht die Truppe sehr nett aus, wie junge Eltern vom Prenzlauer Berg. Vielleicht sind die Jungs hier sogar noch lässiger angezogen. Bis auf die Wanderschuhe: braun, schwarz, klobig mit bunten Schnürsenkeln. Die sind so was von hässlich, dass die Berliner, also Jochen und ich, definitiv die besten Schuhe anhaben. Aber das war ja klar.
    Während der ersten paar hundert Meter versteckt sich Jochen wie ein kleines Kind hinter Bäumen oder versucht, die anderen zu überholen. Aber schon nach zwanzig Minuten hat er sich ausgetobt. Nach zwei Kilometern Aufstieg durch einen Tannenwald über einen steinigen und steilen Pfad denken wir Berliner ganz anders über die Schuhfrage. Unsere Füße tun weh. Ich spüre jeden Stein, weil meine Gummisohlen zu dünn sind. Jochen tun die Zehen in seinen spitzen Schuhen weh. Aber die Luft auf dem Berg ist gut, die Leute sind lustig, und wir sehen sogar ein paar Rehe. Ich verspüre zum ersten Mal in meinem Leben den Drang, ein Wanderlied zu schmettern. Interessanterweise habe ich auch schon seit ein paar Minuten die passende Liedzeile im Ohr: «Aber dennoch hat sich Bolle janz köstlich amüsiert.»
    Noch eine halbe Stunde später: Jochen und mir steht der Schweiß auf der Stirn. Wir beißen die Zähne zusammen. Roni marschiert, in ein Frauengespräch mit Nunja vertieft, an der Spitze der Truppe. Dieses schweigsame Wandern beruhigt. Irgendwann falle ich in einen meditativen Trott. Mein Kopf wird total leer. Nach zwei Stunden machen wir die erste Pause an einem klaren Gebirgsbach. Wir ziehen die Schuhe aus und tauchen die schmerzenden Füße hinein. «Die Heifte hamma», stellt Copy fest. «Lass ma oan zammklappn.»
    Ich habe absolut keine Ahnung, was er meint.
    «Ah geh. Erst, wemma oben sind», entgegnet Paste. «I will mi ned scho wieda valaufn.»
    Roni setzt sich neben mich und taucht die Füße ins kalte Wasser. Sie erzählt mir von den Zwillingen: «Copy und

Weitere Kostenlose Bücher