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Na Servus! Wie ich lernte, die Bayern zu lieben

Na Servus! Wie ich lernte, die Bayern zu lieben

Titel: Na Servus! Wie ich lernte, die Bayern zu lieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Glubrecht
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Paste waren mal die besten Sprüher Münchens. Die sind früher gern auf Mission nach Berlin gefahren. Damals waren sie jünger und noch kleiner als heute. Selbst wenn sie die Arme ausgestreckt haben, kamen sie nicht bis an die obere Fensterkante. Wenn du früher in Berlin einen Zug gesehen hast, der bloß unterhalb der Fenster besprüht war, war das wahrscheinlich einer von ihren.»
    Die kleinen Münchner haben’s faustdick hinter den Ohren. Meine Achtung vor der Berliner Ghettojugend fällt im gleichen Maße, in dem der Berg ansteigt.
    Als wir weiterziehen, geht Roni nun auch mal neben mir. Weil ich einmal völlig außer Atem anhalte und heftig schnaufe, bietet sie mir an, meinen kleinen Rucksack zu tragen. Natürlich lehne ich ab. Der Weg wird nun immer steiler, manchmal ist da nur noch eine hohe Felswand, an der wir uns im 45-Grad-Winkel mit einem alten Seil hochziehen müssen. Einmal fehlt das Seil, und Roni reicht mir ihre Hand, um mich hochzuziehen. Ich ergreife sie. Als wir die Stelle überwunden haben, lasse ich die Hand einfach nicht mehr los. Doch Roni weicht mir aus und deutet auf Jochen und Copy, die leise in ein Gespräch vertieft sind. «Schau, da bahnt sich eine erste Völkerfreundschaft an.» Ich schaue ihr tief in die Augen. Sie blinzelt, als wisse sie nicht, ob sie mir trauen könne.
    Punkt ein Uhr mittags kommen wir endlich oben an: Am Rand einer Bergwiese mit lauter braunen Kühen steht eine Almhütte, davor auf einer Holzveranda ein paar Tische. Wir setzen uns. Die Luft ist so klar, dass sie in der Nase brennt. Ich ziehe sie tief in die Lunge, versuche, sie eine Weile dort zu halten, und lasse sie mit einem «Aaahhh!» heraus. Nicht einmal damals, zwischen den Bäumen in Tiefenwalde, habe ich so gut geatmet. Ich lasse den Blick über das malerische Alpenpanorama schweifen. Ein paar hundert Meter oberhalb der Hütte steht das Gipfelkreuz. So was kannte ich bisher nur von Postkarten.
    Eine etwa Zwölfjährige mit echten Alpenmädchenzöpfen kommt aus der Almhütte gelaufen und fragt uns, was wir essen und trinken möchten. Es gibt Brotzeitteller mit steinhartem, aber leckerem Schinkenspeck, etwas weniger harten getrockneten Mettwürsten, frischgebackenes Graubrot mit Kümmel und saure Gurken. Dazu trinken wir würzige Buttermilch, die mich zu einem weiteren wohligen «Aaah!» verleitet. Das kleine Mädchen mit den Zöpfen starrt die ganze Zeit auf Jochens Füße. Dann fragt sie: «Wieso host du so blede Schua o?»
    «Die werden auch hier eines Tages modern sein.» Jochen blinzelt ihr verschwörerisch zu.
    «Des glaub i ned», entgegnet die Kleine. «Damit kimmst hia doch ga ned nauf.» Sie macht auf dem Absatz ihrer Wanderschuhe kehrt, dass die Zöpfe nur so fliegen.
    Nach dem Essen krempeln wir die Hosenbeine hoch und dösen in der Mittagssonne. Copy kommt an unseren Tisch und fragt, ob wir den Gipfel besteigen und oben vielleicht allmählich mal einen «zammklappn» möchten.
    «Yep», sagt Jochen, grinst verschwörerisch und steht auf. Mit einem Kopfnicken bedeutet er mir mitzukommen. Ich könnte zwar gut noch ein bisschen in der Sonne sitzen, aber da ich noch lieber einen echten Gipfel erklettern möchte, komme ich mit – obwohl ich keine Ahnung habe, was oder wen Jochen dort oben mit seinem neuen Freund zusammenkloppen möchte.
    Hinter der Alm führen in den Fels gehauene Stufen bergauf. Bis zum Gipfel sind es genau dreihundertzweiunddreißig. Oben angekommen habe ich Seitenstechen. Wir setzen uns unters Gipfelkreuz und schauen hinab ins Tal. Jochen und Copy sind noch immer in ihr Gespräch vertieft. Ab und zu trägt der Wind ein «Alter» von Jochen oder ein «Oida» von Copy zu mir herüber.
    Zwischen den Bäumen blitzen vereinzelt die neonfarbenen Jacken anderer Wanderer auf. In Berlin haben wir uns oft über alte Touristenpärchen in gleichfarbigen Gore-Tex-Jacken lustig gemacht. Aber der Gedanke, in fünfzig Jahren mit Roni hier heraufzusteigen, fühlt sich nicht verkehrt an. Selbst wenn wir die gleichen Jacken tragen sollten.
    Copy zieht Gras und Blättchen aus der Beintasche seiner Cargohose. Endlich kapiere ich, was er mit «zammklappn» meint: Er dreht einen Joint. Jochen lehnt indessen am Kreuz und sagt kein Wort. Er genießt den Ausblick. Der Joint geht herum, Jochen zieht ein paar Mal und nickt Copy anerkennend zu. «Hast recht», haucht er, wobei kleine weiße Wölkchen aus seinem Mund aufsteigen. «Das fönt nicht schlecht.»
    «Wos macht des?», fragt Copy.
    «Das fönt»,

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