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Na Servus! Wie ich lernte, die Bayern zu lieben

Na Servus! Wie ich lernte, die Bayern zu lieben

Titel: Na Servus! Wie ich lernte, die Bayern zu lieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Glubrecht
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Rennauspuff röhrt, dann erstirbt der Motor. Die Leute drehen sich um. Eine Frau in einem roten, schulterfreien Abendkleid steigt ab, zieht den Helm vom Kopf und richtet ihren blonden Bob im Seitenspiegel. Roni sieht so toll aus, dass sich nicht nur Männer, sondern auch Frauen nach ihr umdrehen. Ich bin auf einmal ganz aufgeregt und beginne zu schwitzen, was meinem Mottenkugel-Aroma eine ungute Zusatznote verleiht.
    Roni scheint das nicht zu stören. «Hast du jemals versucht, in so einem engen Kleid eine Vespa anzutreten?», fragt sie mich.
    «Ja», scherze ich. «Während meiner wilden Phase in Berlin. Dieser fabelhafte Fummel hätte mir damals sicher auch gut gestanden.»
    Roni dankt mir das Kompliment mit einem Augenaufschlag. «Gehen wir», sagt sie und legt ihre leichte Hand sanft von innen an meinen Oberarm.
    Es klingelt schrill, dann beginnt die Ouvertüre. Um uns herum herrscht eine feierliche Atmosphäre. Auf der Bühne herrscht gar keine Atmosphäre. Das Bühnenbild besteht aus einem vergrößerten Foto des Kolosseums, vor dem zwei Bistrotische stehen. An einem lehnt eine Art überdimensionale Tageskarte, auf der mit Kreide geschrieben steht: «Heute: Neapel, 18. Jahrhundert».
    An den Tischen prahlen zwei Italiener singend mit der angeblich unerschütterlichen Liebe ihrer Frauen, zweier Schwestern. Mit dem unerklärlichen Selbstbewusstsein zweitrangiger Operntenöre schmettern sie ihre Arien gegen das Parkett, dass die Spucke nur so durchs Scheinwerferlicht segelt. Interessanterweise werden die beiden bei falschen Tönen noch lauter. Es ist ein Kampf gegen Mozart. Roni wirkt trotzdem gebannt.
    Ein Typ namens Don Alfonso (weißer Gigoloanzug) erzählt, dass alle Frauen gleich seien, nämlich leicht zu haben, und schlägt den Spießbrüdern vor, die Treue der Schwestern auf die Probe zu stellen. «So ein Sack», flüstert meine Begleiterin mir ins Ohr.
    Die Geschichte nimmt ihren Lauf, die zu laut und zu schief singenden Italiener verpassen noch das ein oder andere Mal ihren Einsatz, tun schließlich so, als zögen sie in den Krieg, und kehren später als Kaufleute verkleidet zurück, um die Frau des jeweils anderen rumzukriegen. Aus unerfindlichen Gründen läuft währenddessen ein Nackter quer über die Bühne (wahrscheinlich ein Relikt von der Schwanzwiese).
    Danach wird’s langatmig. Roni beginnt raschelnd, im Programmheft zu blättern. Hinter uns räuspert sich mahnend eine ältere Frau, die wahrscheinlich Frau Direktor heißt. Neben ihr sitzt der Herr Direktor im Lodenanzug. Er kann nur mit Mühe die Augen offen halten.
    Die Schwestern auf der Bühne bleiben standhaft, allerdings nur gerade so. Daraufhin schlucken die Abgewiesenen Gift und kippen um. «Jawoll!», kommentiert Roni, als wäre ein Tor gefallen. Einer der toten Italiener schlägt noch mal kurz die Augen auf, um zu sehen, wer sich da über seinen Tod freut. «Recht so», murmelt auch der Mann im Lodenanzug, woraufhin ihn die Direktorin zischend maßregelt.
    Nachdem die beiden singenden Lumpen reanimiert wurden, erliegen die Schwestern auf der Bühne schließlich doch noch ihrem aufdringlichen Charme. «Das ist ja schlimmer als auf der Wiesn», flüstert Roni.
    «Also bitte!», empört sich die Frau hinter uns.
    Ein livrierter Platzanweiser läuft gebückt herüber und geht neben uns in die Hocke. «So mäßigen Sie sich doch, sonst muss ich Sie bitten, den Saal zu verlassen.»
    Der Gatte der Direktorin mischt sich ein. «Recht hats. Des is doch a Schmarrn», ereifert er sich und deutet nach vorn. «Des kann ma ja ned mit oschaung!»
    «Keine Diskussion!», herrscht der Ordner und zieht wieder ab.
    Auf der Bühne wird nun eine Doppelhochzeit zwischen den Ehefrauen und den Italienern vorbereitet. Roni gähnt demonstrativ und reckt sich. Jetzt reicht es der Direktorin. Sie springt auf: «Das ist ja die Höhe!», ruft sie und beginnt zu zetern. Selbst die Darsteller sind nun auf uns aufmerksam geworden und halten inne. Der Begleiter der Direktorin nutzt den ruhigen Moment: «I hob gleich gwusst, dass des ned taugt. Hätt ma liaba an Polt ogschaut!», grantelt er.
    Ich muss lachen. Der Ordner baut sich vor mir auf. «Ich muss Sie höflich bitten zu gehen!»
    «I kimm aa mit.» Der Herr Direktor bahnt sich seinen Weg über die Knie der Gattin nach draußen. Auch ein paar andere Opernbesucher stehlen sich davon. Roni hakt sich bei mir ein, und wir verlassen den Saal.
    Zum ersten Mal in meinem Leben bin ich aus der Oper geflogen und schäme mich

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