Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nach all den Jahrmilliarden

Nach all den Jahrmilliarden

Titel: Nach all den Jahrmilliarden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
Vom Netzwerk:
Genialität wäre, aber sie hat noch mehr Qualitäten als nur Kurven und ein Zehntausend-Volt-Lächeln.
    Inzwischen war der größte Teil unserer mannigfaltigen Registrierungen und Anmeldeformalitäten erledigt. Doch wir standen noch eine weitere halbe Stunde herum und warteten darauf, daß Saul Shamoon mit unserer Ausgrabungsgenehmigung zurückkehrte. Dr. Schein konnte nicht begreifen, was ihn so lange aufhielt. Er befürchtete, Saul sei in eine Art bürokratische Straßensperre geraten, die möglicherweise unsere ganze Arbeit auf diesem Planeten unmöglich machte. Das brachte Pilazinool so aus der Fassung, daß er seinen linken Arm bis hin zum zweiten Ellbogen abschraubte.
    Schließlich kehrte Saul zurück. Mit der Ausgrabungs-Genehmigung. Schien damit überhaupt keine Schwierigkeiten gehabt zu haben. Doch er hatte fünfundvierzig Minuten im PX-Postamt zugebracht, um sich für seine Sammlung einen Satz Higby-V-Briefmarken zu besorgen.
    Wir luden unsere Ausrüstung in einen Landkriecher und fuhren ab.
    Die Nacht brach an, schnell und gründlich. Higby V besitzt nicht einen einzigen Mond. Diese Welt gehört zu der Art von Planeten, auf der die Nacht so plötzlich anbricht, als habe man einen Schalter betätigt – wenn man sich so wie wir in unmittelbarer Nähe des Äquators befindet. Klick – und es ist dunkel. Unserem Fahrer gelang es dennoch, uns nicht in irgendeinen Krater hineinzusteuern, und eine Stunde später waren wir am Ziel.
    Dr. Schein, der sich bereits letztes Jahr hier aufgehalten hatte, als es zu der Entdeckung gekommen war, hatte dafür gesorgt, daß drei aufgepumpte Aufblashütten für uns bereitstanden: eine als Laboratorium und die beiden anderen als Schlaf- und Wohnunterkünfte. Außerdem befand sich hier noch ein großer gewölbter Schirm aus Kunststoff, der die am Hang liegende Fundstelle bedeckte, wo die Artefakte der Erhabenen ausgemacht worden waren.
    Als die Zeit kam, uns unsere Schlafplätze zuzuweisen, entwickelte sich ein kompliziertes moralisches Problem. Ich glaube, es wird dir Spaß machen, es dir zu vergegenwärtigen.
    Das Problem ging auf die Tatsache zurück, daß sich im Innern der Blashütten keine Trennwände befanden und folglich auch keine Privatsphäre existierte. Unter uns befanden sich zwei unverheiratete Erdenmenschen weiblichen Geschlechts, und entsprechend dem albernen sozialen Tabu wäre es unmoralisch und ungebührlich, Jan und Kelly bei den Männern schlafen zu lassen. (Der Umstand, daß Kelly überhaupt keinen Wert auf eine Privatsphäre legte, ist unbedeutend, da Androiden die Gleichbehandlung gegenüber menschlichen Wesen aus Fleisch und Blut beanspruchen, einschließlich des Rechts, unsere Neurosen zu teilen. Kelly besitzt den uneingeschränkten Status einer vollwertigen, menschlichen Frau, und sie anders zu behandeln hieße, sich der Rassendiskriminierung schuldig zu machen, nicht wahr?)
    Die Lösung, die Dr. Schein vorschlug, sah folgendermaßen aus: Alle Männer – er selbst, Leroy Chang, Saul Shahmoon und ich – sollten in einer Aufblashütte unterkommen und Jan und Kelly in der anderen. In Ordnung, das wurde den elementaren Anstandsformen gerecht, aber …
    Jan und Kelly würden dadurch bei den Aliens schlafen müssen, und einige von ihnen waren männliche Vertreter ihrer Spezies. (Steen Steen und 408b konnten von dieser Kategorie ausgenommen werden: Steen, weil er/sie beide Geschlechter in sich/ihr vereinte, und 408b, weil es keins von beiden zu besitzen schien.) Ich vermute, die verkalkten Moralapostel auf der Erde gerieten ganz aus der Fassung bei der Vorstellung, Jan und Kelly zögen sich vor den Augen irgendwelcher Männer an und aus – selbst wenn es sich dabei um Aliens handelte. (Jedenfalls würden sie sich wahrscheinlich über Jan aufregen; über die Lebensumstände von Androiden scheinen sich diese bornierten Typen keine großen Gedanken zu machen.) Das war es jedoch nicht, was Dr. Schein Sorgen machte. Er wußte, daß Kelly keine moralischen Blockaden besitzt. Und daß Jan, während sie die üblichen Tabus in Hinsicht auf die vier menschlichen Männer beachtet, überhaupt nicht damit rechnet, daß Pilazinool oder Dr. Horkkk oder Mirrik vielleicht eine Bedrohung ihrer Tugend darstellten. Statt dessen machte er sich Sorgen darüber, die Aliens könnten sich beleidigt fühlen. Wenn Jan die Bekleidungstabus zwar uns, aber nicht ihnen gegenüber beachtete, konnte dies dann nicht so ausgelegt werden, als bedeutete es, sie betrachte sie als

Weitere Kostenlose Bücher