Nach all den Jahrmilliarden
Aussichten, eine Gruft, die eine Milliarde Jahre alt ist, auf einem Asteroiden zu finden, von dem wir nicht einmal sicher sein können, daß er der richtige ist, erscheinen mir jetzt als außerordentlich gering. Wahrscheinlich haben die anderen den gleichen Eindruck. Aber wir äußern unsere Zweifel nicht. Wir versuchen sogar, nicht einmal daran zu denken. Zumindest versuche ich das. Es beginnt sich jetzt meinem Verständnis zu entziehen, wie wir jemals einen derart verrückten Plan in Angriff nehmen konnten. Wir haben die bedeutendste Fundstelle von Erhabenen-Artefakten im Stich gelassen, die bisher entdeckt wurde, wir widersetzen uns Zentralgalaxis, wir verpulvern einen ganzen Batzen Geld, um von Stern zu Stern zu stromern …! Archäologen sollten standfeste Leute sein, geduldige Plackerer, die sich Jahr für Jahr an ihre eigentliche Arbeit halten. Und was machen wir statt dessen? Wie konnten wir zulassen, daß dies geschah? Wie kommen wir dazu, zu glauben, wir würden irgend etwas finden?
Finstere Gedanken auf dem finsteren Trabanten einer finsteren Sonne.
Offenbar macht sich Dr. Schein ähnliche Gedanken. Diese abenteuerliche Suche entspricht ganz gewiß nicht seinem Wesen. Die Anspannung ist ihm anzusehen. Wir machen uns ein wenig Sorgen über ihn. Gestern hat er angesichts Steen Steen die Nerven verloren und den Calamorianer wirklich runtergemacht, nur weil Steen durch Zufall einen Datenkorrektierer einschaltete, zwei Infoschübe in den Computer eingab und so einige Stunden Rechenarbeit veranlaßte. Dr. Schein regte sich so auf, daß wir alle geschockt waren, besonders, als er Steen direkt ins Gesicht sagte: „Sie wären überhaupt nicht hier, wenn es nach meinem Willen gegangen wäre! Sie sind mir der rassischen Ausgewogenheit wegen aufgehalst worden!“
Steen beherrschte sich ziemlich gut. Seine/ihre Tentakel vollführten einige sich windende Bewegungen, und seine/ihre Haut kräuselte sich unheilverkündend. Ich rechnete damit, daß eine militante Zurechtweisung in Hinsicht auf Dr. Scheins Engstirnigkeit aus ihm/ihr herausplatzte. Aber Steen hat einige Stunden zuvor mit Mirrik über das Christentum diskutiert, und ich vermute, er/sie war in einer Art Jesus-Stimmung, denn was Steen sagte, war: „Ich vergebe Ihnen, Dr. Schein. Sie wissen nicht, was Sie sagen.“
Ein ganz und gar albernes Intermezzo. Aber es war beunruhigend, unseren netten und freundlichen und rationalen Dr. Schein so aus der Haut fahren zu sehen. Er muß besorgt sein. Ich bin es auch.
Wie du weißt, bin ich berühmt für meine geschickten Annäherungsversuche. Als ich also ein paar Tage über Jans Bemerkung über mich und Kelly nachgedacht hatte, arbeitete ich einen geschickten Plan aus, um die Sache mit ihr in Ordnung zu bringen.
Wir gingen erneut hinaus, um die Leuchtrakete zu starten. Das Abwechslungsschema sah eigentlich 408b als Begleitung für mich vor, aber ich traf ein Arrangement mit Pilazinool, und so mußte Jan einspringen. Als wir die Luftschleuse verließen und hinaustraten auf das Eisplateau, sagte ich: „Was hast du mit dieser Bemerkung über mich und Kelly gemeint?“ Sehr geschickt.
Jans Helm verbarg ihren Gesichtsausdruck. Die Stimme, die aus dem Funkgerät meines Druckanzugs drang, war betont neutral. „Welche Bemerkung?“
„Letzte Woche. Als du mich fragtest, ob ich nicht lieber mit Kelly hinausgehen wollte.“
„Ich denke, du ziehst ihre Gesellschaft der meinen vor.“
„Aber das stimmt doch nicht! Jan, ich schwöre dir …“
„Gib mir die Leuchtrakete.“
„Verdammt noch mal, Jan, das bildest du dir doch alles nur ein! Kelly ist ein Android, zum Teufel auch! Wie kannst du annehmen, es hätte sich auch nur das geringste …“
„Willst du den Zünder betätigen, oder soll ich das machen?“
Ich zündete die Rakete. „Gib mir eine Antwort, Jan. Warum glaubst du, ich und Kelly … Kelly und ich … wir …“
„Über dieses Thema möchte ich wirklich nicht sprechen.“
Sie wandte sich ab, drehte mir den Rücken zu und starrte mit deutlich zur Schau gestellter Faszination an der Astronomie zur Dunkelsonne hinauf.
„Jan?“
„Ich studiere Sonnenphänomene.“
„Du hörst mir nicht zu.“
„Und du langweilst mich.“
„Jan, ich versuche dir zu erklären, daß du absolut keinen Anlaß hast, eifersüchtig zu sein. Ich bin derjenige, der eifersüchtig sein müßte. Ich habe gesehen, wie du jeweils für Stunden in Saul Shahmoons Kabine verschwunden bist. Wenn du in Saul verliebt bist,
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