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Nach all den Jahrmilliarden

Nach all den Jahrmilliarden

Titel: Nach all den Jahrmilliarden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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gewisser Weise dazu, den linkischen Annäherungsversuchen von Leroy Chang zu entgehen, aber das stört mich nicht. Da Jan mich ganz offensichtlich ignoriert, ist es angenehm, Kelly als Gesprächspartner zu haben. Und ich habe die lohnende Entdeckung gemacht, daß ein Android in vielerlei Hinsicht eine richtige, wirkliche Person sein kann. Am Grunde von Kellys Wesen befindet sich ein Kern aus Ruhe, der von nichts durchdrungen werden kann – was für mich ein Beweis ihres künstlichen Ursprungs ist. Doch jenseits dieser Grundfeste ist sie durchaus Stimmungen unterworfen; sie hat intensive Gefühle, versteht Spaß, ist kultiviert und noch vieles andere mehr. Sie neigt ein wenig dazu, dauernd ihre Menschlichkeit unter Beweis stellen zu müssen, in einer Wenn-du-meine-Haut-ritzt-blute-ich-dann-etwa-nicht?-Art, aber das ist nicht weiter verwunderlich. Ich will nicht behaupten, ich hätte meine Vorurteile abgeschüttelt. Ich denke noch immer, daß Kelly sehr menschlich ist, aber … Und es ist dieses verdammte Aber, das nicht verschwinden will. Doch ich mache Fortschritte.
    Es macht mir ein wenig. Angst, daran zu denken, daß es in ein paar hundert Jahren vielleicht zu Heiraten zwischen Menschen und Androiden kommt und Kinder gezeugt werden. Ich frage mich, warum mich diese Vorstellung so erschreckt. Weil wir von einem Spritzer Androidenblut in unser Gen-Reservoir vielleicht verändert werden? Verbessert werden? Dieser Gedanke schmerzt dort, wo meine Vorurteile ihren Ursprung haben.
    Aber dann werde ich nicht mehr da sein, um es zu erleben. Das ist tröstlich. Oder?
    Nach dieser unklaren Bemerkung, die jetzt zehn Tage zurückliegt, habe ich keine weiteren Aufzeichnungen gesprochen. Der November geht nun allmählich seinem Ende entgegen, und ich habe diesen Würfel nur wieder zur Hand genommen, um den Nachtrag hinzuzufügen, daß wir GGC 1145591 in fünf weiteren Tagen erreichen. Ich bezweifle, ob bis dahin etwas Wichtiges geschieht, und deshalb schließe ich den Würfel jetzt ab.
    Es ist alles beim alten geblieben, in jeder Hinsicht. Wann immer ich Jan sehe, ist sie mit Saul zusammen, und sie sind ganz vertieft in die Diskussion über die selbstentwertenden französischen Briefmarken von 2115 oder was auch immer. Kelly hat vorgeschlagen, ich solle zum Gegenangriff übergehen und eine Münzsammlung anlegen. Dieser Vorschlag scheint mir kaum durchführbar. Zum Teufel auch, ich glaube, Saul ist einfach der bessere Mann. Doch ich würde zu gern wissen, warum.
    Beiseite mit diesen Nebensächlichkeiten. Die Dunkelsonne erwartet uns.

 
11
     
    12. Dezember 2375
    Dritter Planet von GGC 1145591
     
    Wir sind hier ziemlich auf uns allein gestellt. Und alles ist außerordentlich seltsam. Als ich einen so gesetzten Beruf wie Archäologie ergriff, habe ich nicht im Traum daran gedacht, daß ich dadurch einmal so etwas erleben würde.
    Wir befinden uns in einem Sonnensystem, in dem es kein Tageslicht gibt. Wir scheinen verzaubert zu sein, in Gnome verwandelt, dazu verurteilt, durch finstere Tunnel zu laufen, die nur von einem trüben, purpurnen Glühen beleuchtet werden, einem matten Schimmer, der von irgendwo weit über uns herabsickert. Aber hier gibt es keine Tunnel. Wir befinden uns auf der Oberfläche eines Planeten. Das ganze Universum ist auf einen Faktor reduziert: immerwährende Finsternis.
    Selbst auf Pluto bewirkt die Sonne noch eine Art Tageslicht.
    Hier nicht. Die Sonne dieses Systems ist ein toter Stern oder besser gesagt: ein Stern, der in den letzten Zügen liegt, so daß wir die Heftigkeit des Todeskampfes spüren können. Unsere Stimmung ist gedrückt. Wir sprechen kaum miteinander. Es kommt nicht mehr zu den kleinen Streitereien, die manchmal unter uns ausbrachen. Dieser Ort bewirkt eine mysteriöse Faszination. Ich fühle mich, als sei ich im Innern eines Käfigs aus Träumen gefangen.
    Die Besatzung des Ultraraumkreuzers, der uns hierherbrachte, hatte es ziemlich eilig damit, wieder zu verschwinden. Der Kreuzer kam in diesem Sonnensystem aus dem Ultraraum und landete auf dem dritten Planeten, der keinen Namen hat. (Wir versuchen, einen zu finden.) Die Besatzung lud unsere Ausrüstung aus. Dann flog sie wieder ab, rasch.
    Unsere gemietete Planetenfähre hat uns bereits erwartet. Sie ist ein bißchen klein, aber sie wird ausreichen. Beförderungskapazität: fünfundzwanzig Personen, Passagiere und Besatzung. Aufgrund von Mirriks Übertonnage werden wir elf zu Lastberechnungszwecken als zusammen zwanzig Personen

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