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Nach all den Jahrmilliarden

Nach all den Jahrmilliarden

Titel: Nach all den Jahrmilliarden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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ver­such­te, die blö­de Vor­ein­ge­nom­men­heit zu recht­fer­ti­gen, die der Ho­mo sa­pi­ens so schätzt.
    Es war das Auf­tau­chen Jans, das mir aus der Klem­me half. Sie glitt zu uns in die Ka­bi­ne, und ihr Ge­sicht zeig­te den fah­len, geis­ter­haf­ten Aus­druck, der oft­mals zu be­ob­ach­ten ist bei den Leu­ten, die nach ei­ni­gen Stun­den Ru­he­zeit aus der Nichts­kam­mer her­aus­kom­men: Ih­re Au­gen blick­ten ver­träumt, und ih­re Ge­sichts­mus­keln wa­ren so ent­spannt, daß sie wie ein Schlaf­wand­ler aus­sah. Das kommt da­von, wenn man mit zu­ge­stopf­ten Oh­ren und ab­ge­deck­ten Au­gen in ei­nem war­men Che­mi­ka­li­en­bad liegt. Jan schweb­te wie die kopf­lo­sen Gat­tin­nen von Hein­rich VIII. her­ein, sah mich an, sah Kel­ly an, lä­chel­te ei­gen­tüm­lich, sag­te mit ei­ner sil­ber­hel­len, tril­lern­den Stim­me: „Ent­schul­di­gung“ und schweb­te wie­der hin­aus. Son­der­bar.
    Ir­gend­wie mach­te das der Dis­kus­si­on über Ras­sen­dis­kri­mi­nie­rung ein En­de. Wir ver­such­ten nicht, sie fort­zu­set­zen. Statt des­sen be­gann Kel­ly über In­schrifts­kno­ten zu spre­chen, und nach ei­ni­ger Zeit sag­te ich gu­te Nacht und ging schla­fen. Seit­dem ha­ben wir ei­ni­ge Aben­de zu­sam­men ver­bracht und uns bis spät nachts un­ter­hal­ten. Ich glau­be, Kel­ly be­nutzt mich in ge­wis­ser Wei­se da­zu, den lin­ki­schen An­nä­he­rungs­ver­su­chen von Leroy Chang zu ent­ge­hen, aber das stört mich nicht. Da Jan mich ganz of­fen­sicht­lich igno­riert, ist es an­ge­nehm, Kel­ly als Ge­sprächs­part­ner zu ha­ben. Und ich ha­be die loh­nen­de Ent­de­ckung ge­macht, daß ein An­dro­id in vie­ler­lei Hin­sicht ei­ne rich­ti­ge, wirk­li­che Per­son sein kann. Am Grun­de von Kel­lys We­sen be­fin­det sich ein Kern aus Ru­he, der von nichts durch­drun­gen wer­den kann – was für mich ein Be­weis ih­res künst­li­chen Ur­sprungs ist. Doch jen­seits die­ser Grund­fes­te ist sie durch­aus Stim­mun­gen un­ter­wor­fen; sie hat in­ten­si­ve Ge­füh­le, ver­steht Spaß, ist kul­ti­viert und noch vie­les an­de­re mehr. Sie neigt ein we­nig da­zu, dau­ernd ih­re Mensch­lich­keit un­ter Be­weis stel­len zu müs­sen, in ei­ner Wenn-du-mei­ne-Haut-ritzt-blu­te-ich-dann-et­wa-nicht?-Art, aber das ist nicht wei­ter ver­wun­der­lich. Ich will nicht be­haup­ten, ich hät­te mei­ne Vor­ur­tei­le ab­ge­schüt­telt. Ich den­ke noch im­mer, daß Kel­ly sehr mensch­lich ist, aber … Und es ist die­ses ver­damm­te Aber, das nicht ver­schwin­den will. Doch ich ma­che Fort­schrit­te.
    Es macht mir ein we­nig. Angst, dar­an zu den­ken, daß es in ein paar hun­dert Jah­ren viel­leicht zu Hei­ra­ten zwi­schen Men­schen und An­dro­iden kommt und Kin­der ge­zeugt wer­den. Ich fra­ge mich, warum mich die­se Vor­stel­lung so er­schreckt. Weil wir von ei­nem Sprit­zer An­dro­iden­blut in un­ser Gen-Re­ser­voir viel­leicht ver­än­dert wer­den? Ver­bes­sert wer­den? Die­ser Ge­dan­ke schmerzt dort, wo mei­ne Vor­ur­tei­le ih­ren Ur­sprung ha­ben.
    Aber dann wer­de ich nicht mehr da sein, um es zu er­le­ben. Das ist tröst­lich. Oder?
    Nach die­ser un­kla­ren Be­mer­kung, die jetzt zehn Ta­ge zu­rück­liegt, ha­be ich kei­ne wei­te­ren Auf­zeich­nun­gen ge­spro­chen. Der No­vem­ber geht nun all­mäh­lich sei­nem En­de ent­ge­gen, und ich ha­be die­sen Wür­fel nur wie­der zur Hand ge­nom­men, um den Nach­trag hin­zu­zu­fü­gen, daß wir GGC 1145591 in fünf wei­te­ren Ta­gen er­rei­chen. Ich be­zweifle, ob bis da­hin et­was Wich­ti­ges ge­schieht, und des­halb schlie­ße ich den Wür­fel jetzt ab.
    Es ist al­les beim al­ten ge­blie­ben, in je­der Hin­sicht. Wann im­mer ich Jan se­he, ist sie mit Saul zu­sam­men, und sie sind ganz ver­tieft in die Dis­kus­si­on über die selbst­ent­wer­ten­den fran­zö­si­schen Brief­mar­ken von 2115 oder was auch im­mer. Kel­ly hat vor­ge­schla­gen, ich sol­le zum Ge­gen­an­griff über­ge­hen und ei­ne Münz­samm­lung an­le­gen. Die­ser Vor­schlag scheint mir kaum durch­führ­bar. Zum Teu­fel auch, ich glau­be, Saul ist ein­fach der bes­se­re Mann. Doch ich wür­de zu gern wis­sen, warum.
    Bei­sei­te

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