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Nach all den Jahrmilliarden

Nach all den Jahrmilliarden

Titel: Nach all den Jahrmilliarden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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ich in der La­ge sein, ir­gend et­was zu sa­gen. Und so plap­per­te mein Mund wei­ter, wäh­rend mein Ge­hirn aus­setz­te. Was ist das ei­ne The­ma, das man mit dem An­ge­hö­ri­gen ei­ner Min­der­heit nicht dis­ku­tie­ren soll­te? Nun, dies na­tür­lich: Wie es ist, zu ei­ner Min­der­heit zu ge­hö­ren. Man soll­te nicht ris­kie­ren, je­man­dem auf die Fü­ße zu tre­ten, Salz auf fri­sche Wun­den zu streu­en oder sei­ne Neu­gier auf et­was zu kon­zen­trie­ren, über das die der Min­der­heit an­ge­hö­ren­de Per­son ganz un­glück­lich ist, et ce­te­ra. Ganz klar.
    Er­schro­cken und be­stürzt ver­nahm ich, wie mein Mund zu Kel­ly Wach­mann sag­te: „Weißt du, ich hat­te ei­gent­lich nie son­der­lich in­ten­si­ven ge­sell­schaft­li­chen Kon­takt zu An­dro­iden.“
    Sie war takt­voll. „Es gibt nicht vie­le von uns.“
    „Nein. Das ist es nicht. Ihr wart in mei­nen Au­gen im­mer so an­ders, daß ich mich euch ge­gen­über un­si­cher fühl­te. Ich mei­ne An­dro­iden im all­ge­mei­nen, nicht dich im be­son­de­ren. Es fällt mir so schwer, mir vor­zu­stel­len, wie es sein muß, ein An­dro­ide zu sein. Prak­tisch in je­der Hin­sicht ein Mensch zu sein und doch kein …“
    Mei­ne Stim­me ver­klang ein­fäl­tig.
    „Kein rich­ti­ger Mensch zu sein?“ ver­voll­stän­dig­te Kel­ly für mich.
    Ich war ent­setzt. „Et­was in der Rich­tung, ja.“
    „Aber ich bin ein Mensch, Tom“, sag­te sie sanft. „Zu­min­dest in je­der ju­ris­ti­schen Hin­sicht. Das ist durch al­le Rechts­in­stan­zen ge­gan­gen und ent­schie­den. Ob man im Mut­ter­leib oder im Bot­tich ge­zeugt wur­de, man ist ein voll­wer­ti­ger Mensch, wenn man das mensch­li­che Chro­mo­so­men­mus­ter be­sitzt, und kein Mensch, wenn man es nicht hat. Ich ha­be es, und des­halb bin ich es.“ Sie klang nicht ag­gres­siv oder so, als wol­le sie zu ei­ner ver­ba­len At­ta­cke an­set­zen. Sie stell­te nur Tat­sa­chen fest. Kel­ly kann nie­mals wirk­lich er­regt sein, ganz gleich, wie ih­re Chro­mo­so­men be­schaf­fen sind.
    „Trotz­dem“, sag­te ich. „Vie­le Leu­te – ich brau­che das dir nicht ex­tra zu er­klä­ren – ha­ben die­se An­ge­wohn­heit, An­dro­iden für … nun, für nicht ganz echt zu hal­ten.“
    „Viel­leicht ist das ein­fach nur Neid“, ant­wor­te­te Kel­ly ge­las­sen. „Die Tat­sa­che, daß wir nicht al­tern, daß un­se­re Le­bens­er­war­tung drei­mal so groß ist wie die na­tür­lich ge­zeug­ter Men­schen, muß ei­ne ge­wis­se Ab­leh­nung her­vor­ru­fen. Ich zum Bei­spiel kam im Jah­re 2289 aus dem Bot­tich, wuß­test du das?“
    Fast neun­zig. Wie ich ver­mu­te­te.
    „Zum Teil des­we­gen“, gab ich zu. „Aber es gibt noch an­de­re Grün­de. Es ist so, daß wir euch er­schaf­fen ha­ben. Da­durch nehmt ihr – das ist nicht mei­ne An­sicht, mußt du wis­sen, aber ich ken­ne ei­ne Men­ge Leu­te, die so den­ken –, da­durch nehmt ihr in der Rang­ord­nung al­ler Din­ge ir­gend­wie einen Platz un­ter uns ein.“
    „Wenn ein Mann und ei­ne Frau ein Kind zeu­gen, be­trach­ten sie es dann als et­was, das ih­nen ge­gen­über ge­rin­ger­wer­tig ist?“
    „Manch­mal ja“, sag­te ich. „Aber das spielt hier kei­ne Rol­le. Ein Kind auf na­tür­li­che Wei­se zu zeu­gen ist ei­ne Sa­che. Le­ben in ei­nem La­bo­ra­to­ri­ums­bot­tich zu schaf­fen ei­ne an­de­re. Es ist fast gott­gleich.“
    „Und so“, mein­te Kel­ly, „zeigt ihr gott­glei­chen We­sen eu­er gott­glei­ches We­sen, in­dem ihr euch den künst­li­chen Men­schen, die ihr er­schafft, über­le­gen fühlt. Ob­wohl euch An­dro­iden über­le­ben und euch in vie­ler­lei Hin­sicht über­tref­fen.“
    „Wir füh­len uns euch ge­gen­über gleich­zei­tig über- und un­ter­le­gen, Kel­ly. Und das ist der Grund, warum so vie­le von uns euch nicht mö­gen und euch miß­trau­en.“
    Sie dach­te dar­über nach. „Wie kom­pli­ziert ihr na­tür­lich Ge­zeug­ten doch sein könnt! Warum müßt ihr euch so vie­le Ge­dan­ken über Un­ter- oder Über­le­gen­heit ma­chen? Warum ak­zep­tiert ihr nicht ein­fach al­le Be­son­der­hei­ten und kon­zen­triert euch auf wirk­lich wich­ti­ge Din­ge?“
    „Weil es in der Na­tur des Men­schen liegt“,

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