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Nach dem Ende

Nach dem Ende

Titel: Nach dem Ende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alden Bell
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des Hauses, bis sich ihr Verstand ausdehnt und die Träume sie in unermessliche, verworrene Weiten entführen.
    Am nächsten Tag streift sie durch die Gebäude und quittiert die Begrüßungen der Bewohner mit höflichem Lächeln. Sie sind froh, ein neues Gesicht zu sehen, sie sind froh, dass wieder jemand zu ihnen gestoßen ist – ein weiterer Stein im Bollwerk gegen die Brandung, die von außen auf sie einstürmt. Einige erzählen ihr, woher sie kommen, die Älteren ergehen sich in Erinnerungen an die frühere Welt. Sie hat schon viele Fassungen dieser Geschichten gehört, und die meisten drehen sich um Kinder, die am Nachmittag mit dem Fahrrad durch eine von Bäumen gesäumte Straße fahren. Um Picknicks im Park. Um Besuche im Lebensmittelladen und bei Freunden. Oder um völlig unbeschwerte Campingausflüge, bei denen man höchstens von Mücken behelligt wurde.
    Temple hat diesen Geschichten noch nie so recht getraut – sie klingen geschönt und nostalgiegetränkt. Sie selbst hat die Erfahrung gemacht, dass sich Glück und Trauer immer die Waage halten, egal ob dich die Mücken beißen oder die Fleischsäcke.
    Sie bietet an, in der Küche mitzuhelfen, wo eine Gruppe Frauen offenbar mit der Zubereitung einer aufwendigen Mahlzeit beschäftigt ist. Sie wird gebeten, Eier in eine Schüssel zu schlagen – oben auf dem Dach gibt es Hühnerställe und Gärten –, doch als sie merken, wie lang sie braucht, um alle Schalenstücke herauszufischen, schicken sie sie weiter mit der Aufforderung, sich einfach zu entspannen und erst mal alles kennenzulernen. Sie kann sich auch später noch nützlich machen.
    Am Abend geht sie in den Konferenzsaal, den sie als Kino eingerichtet haben, und sitzt mit allen anderen in der Dunkelheit, um sich einen alten Film anzuschauen, der auf eine große Leinwand projiziert wird. Es ist ein Streifen über Raumschiffe und wüstenartige Planeten, und während sie gespannt die Handlung verfolgt, reicht ihr das Mädchen neben ihr einen Becher Popcorn, und sie nimmt sich was und gibt ihn weiter.
    Doch am nächsten Tag packt sie die Langeweile, und ihr wird kribbelig. Im zweiten Stock beobachtet sie durchs Fenster den Aufbruch der Patrouille, die sich mit der taktischen Geschmeidigkeit einer Schlange durch die Straße windet. Es gefällt ihr, wie sich die Männer bewegen – wie ein Körper mit vielen Teilen.
    Nachts findet sie keine Ruhe und empfindet ihre Schlaflosigkeit wie eine Krankheit, als sie durch die stummen Korridore wandert.
    Als ihr die Stille zu viel wird, nimmt sie den Übergang zu Haus vier, wo sie die Männer beim Kartenspielen um Pillen antrifft. Sie haben sich im fünften Stock in einem großen Raum versammelt, der zwei Etagen einnimmt und das schallende Lachen und die knarzenden Stimmen hallend verstärkt. Die Lobby irgendeiner Unternehmenszentrale, vermutet sie, irgendeiner Riesenfirma, die früher mehrere Stockwerke des Gebäudes belegt hat.
    Zuerst bedenken die Männer sie mit scheelen Blicken, als würde sie ihnen den Spiegel ihres peinlichen Verhaltens vorhalten. Schnell verklingt das ausgelassene Lachen, als sie nacheinander von ihr Notiz nehmen.
    Lasst euch nich stören, sagt sie. Ich kann bloß nich schlafen, das is alles. Will euch nich den Spaß verderben.
    Also geht das Spiel weiter, zögernd zuerst, dann allmählich wieder laut und vulgär, als sie ihren Argwohn ablegen und Temples Gegenwart völlig vergessen. Sie mag den Geruch der Zigaretten und das Klirren der Schnapsflaschen und die derbe Sprache, die ihnen wie ein Strom unbehauener Steine über die haarigen Lippen rollt. Weitere Männer treffen von der Nachtpatrouille ein, und sie beobachtet, wie sie mit Pistolen, A R-15-Gewehren und Kaliber-20-Schrotflinten durch eine metallverstärkte Seitentür treten und mit leeren Händen wieder herauskommen. Dann steuern sie auf einen Tisch zu, der wie eine Bar arrangiert ist, wo ihnen ein Typ mit Schürze Drinks einschenkt.
    Der Patrouillenführer Louis entdeckt sie.
    Wie gefällt dir das Spiel?
    Schau’s mir noch an, antwortet sie. Wie Poker mit ein bisschen Pooch dazu.
    Pooch?
    Hab ich als Kind immer gespielt.
    Du verstehst es?
    Wie gesagt, ich schau noch. Was is im Topf?
    Aufputschpillen. Schlaftabletten. Auch ein paar Schmerzmittel. In erster Linie Speed.
    Aha. Und wo kriegt man so eine Währung her?
    Willst du mitspielen?
    Ein, zwei Runden, warum nich.
    Louis lacht, ein volles, freundliches Lachen. Dann gräbt er in seiner Tasche und klatscht ihr drei blaue Pillen in

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