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Nach der Hölle links (German Edition)

Nach der Hölle links (German Edition)

Titel: Nach der Hölle links (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raik Thorstad
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Eierkuchen stach, als fürchtete er, es könne unerwartetes Leben in ihnen lauern.
    »Warum redest du dauernd von Hinterteilen? Ist das immer so, wenn du einen im Kahn hast?«
    »Ich bin schwul. Ich darf das.«
    Lachend versuchte Andreas, an Sascha vorbei zum verlockend duftenden Teller zu kommen. »Und was bin ich dann?«
    »Ein verkappter Hetero, der bisher nichts von seinem Glück gemerkt hat?«
    »Du bist so ein Idiot.«
    »Und du ein Saftsack. Jetzt nimm sofort die Finger vom Essen!«
    Sie kabbelten sich, bis der Teig aufgebraucht war, dem Hausherrn vor Hunger der Schaum vor dem Mund stand und ein Teller teils goldbrauner, teils verdächtig schwarzer Eierkuchen bereit war, sie auf die Dachterrasse zu begleiten.
    Mit einem Seufzen ließ Andreas sich in die Kissen fallen. Die Welt erschien an diesem Morgen ungewöhnlich sanft. Selbst die Dielen unter den Polstern waren weich und luden dazu ein, sich auf ihnen zusammenzurollen. Selten war ihm aufgefallen, wie elegant die Maserung des Holzes geschwungen war. Die einzelnen Bretter erzählten eine Geschichte. Er konnte sie flüstern hören, als er das Ohr an die Jahresringe legte.
    Sascha nahm neben ihm Platz. Er fiel beinahe hintenüber. »Was machst du denn da? Ich dachte, du hast Hunger.«
    »Ich höre den Bäumen zu«, antwortete Andreas verträumt.
    »Bäume sind aus. Aber mach du nur. Esse ich eben alles allein auf.« Beherzt griff Sascha zu. Er machte sich gierig daran, Käse und Schinken in einen Eierkuchen zu rollen. Nachdenklich hielt er inne. »Meinst du, es ist sehr ekelig, Senf draufzuschmieren?«
    »Superekelig«, antwortete Andreas und trennte sich schweren Herzens von den Dielen. »Marmelade. Am besten Blaubeermarmelade. Sonst gar nichts. Oder Schokoladencreme. Alles andere ist … wie heißt das noch? Ein Verbrechen an der Menschlichkeit.«
    »Menschheit.«
    »Sag ich doch.«
    Andreas diskutierte nicht weiter. Er war zu beschäftigt, das schmelzende Gefühl auf seiner Zunge zu genießen. Nektar und Ambrosia, Erdbeerkonfitüre und Eierkuchen. Mehr konnte man vom Leben nicht verlangen.
    Sascha wischte sich eine Spur Senf vom Mundwinkel. Angewidert murmelte er: »Keine gute Idee. Schmeckt nicht.«
    Lachend schüttelte Andreas den Kopf. Das Gummiband in seinen Haaren löste sich und rutschte über seinen Rücken in die Kissen.
    Während er sich mit zwei Fingern Stück für Stück den eingerollten Eierkuchen einverleibte, starrte er in den Himmel, der sich darauf vorbereitete, ein strahlendes Blau anzunehmen. Der Westwind kitzelte ihn behaglich an den bloßen Unterarmen und im Gesicht. Sachte Berührungen, die Legenden in sich bargen.
    Das Universum sprach zu ihm. Andreas glaubte, sich sehen zu können. Als unbeteiligter Beobachter lehnte er am Geländer der Terrasse und betrachtete sich. Was er sah, gefiel ihm. Er war von der Nasenspitze bis zu den Zehen entspannt. Selbst seine Haare kräuselten sich in berauschter Behaglichkeit auf seinen Schultern. Sie erinnerten ihn an die Schwänze der Degukinder, die Donnerstag im Tierheim abgegeben worden waren. Fehlten nur die schwarzen Knopfaugen und die niemals stillstehenden Nasen.
    Vielleicht sollte er ein paar von ihnen nach Hause holen.
    Mit einer Hand nach den Chips angelnd wandte er sich Sascha zu. »Was hältst du von Degus?«
    »De… was?«
    »Nagetiere. Sehr knuffig.«
    »Weiß nicht. Schmecken nicht, oder?«
    »Ey!«, knuffte Andreas den Freund in die Seite. »Das ist widerlich.«
    »Sorry, kann gerade nur ans Essen denken.«
    Saschas Appetit stand Andreas’ in Nichts nach. Nur waren die Experimente, die er mit dem Essen machte, deutlich wagemutiger. Schaudernd musste Andreas zusehen, wie Sascha die wartenden Lebensmittel beäugte und sich schließlich ein Sandwich aus Eierkuchen, Nusscreme und Vanillepudding zusammenbaute. Zur Krönung öffnete er eine Flasche Bier.
    Andreas wollte sich angesichts der unorthodoxen Speisefolge abwenden und ertappte sich dabei, dass er nicht konnte. In seinem Inneren ließ jemand den Hammer auf den Lukas krachen und löste ein Klingeln und Summen aus. Vor Andreas’ geistigem Auge tauchte ein blinkendes Schild auf, das die Aufschrift »Glück« trug.
    Mit Sascha durch die Nacht zu gehen und am Morgen auf der Terrasse zu frühstücken – übernächtigt, betrunken und nicht Herr seiner Sinne –, war Glück. Gerüche zu sehen, Geräusche zu schmecken, Bilder zu hören, das war Glück. Nicht allein zu sein, war Glück. Tolle Menschen getroffen zu haben, war Glück.

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