Nach der Hölle links (German Edition)
schätze ich.«
Neugierig wie junge Vögel legten Andreas und Sascha die Köpfe schief, um das zerschmetterte Ei auf dem Küchenboden zu betrachten. Die Formen der zerstörten Schale und das auslaufende Innenleben schienen ihnen ausgesprochen faszinierend. Sie wechselten einen Blick und prusteten einmal mehr los.
Andreas konnte sich nicht erinnern, jemals so viel gelacht zu haben. Er schwebte. Zwar stand er nach dem Marsch durch die frühe Morgenluft auf bedeutend sichereren Beinen, aber der Rausch war geblieben.
Auf dem Heimweg hatten sie auf Bordsteinen balanciert, um sich zu beweisen, dass sie nicht betrunken waren. Sie hatten Fangen gespielt, waren von der Haltestelle bis zur Wohnung Arm in Arm gelaufen und hatten Unsinn geredet. Einmal hatte Andreas vor Glucksen und Lachen beinahe gekotzt.
»Okay, was jetzt?«, fragte er grinsend. Die Masse in der Rührschüssel zwinkerte ihm belustigt zu. Viele Dinge hatten an diesem Morgen Augen, die freundlich Blickkontakt zu ihm suchten. »Wie geht es weiter?«
»Wir brauchen noch ein Ei«, murmelte Sascha, der sich halblaut zu erinnern suchte, welche Zutaten in einen Eierkuchen gehörten. »Eier, das versteht sich von selbst. Kuchen? Unsinn. Mehl und Zucker und Milch. Salz? Zimt? Nein. Quatsch. Zimt nicht.«
Andreas nickte ernsthaft. »Auf dem Fußboden ist eins. Bedien dich.«
»Nein danke. Vielleicht, wenn du hier in den letzten zwei Wochen mal geputzt hättest, aber so …«
Entrüstet ließ Andreas sein Becken gegen Saschas knochige Hüfte krachen: »Was soll denn das heißen? Ich … ich habe geputzt!«
»Wann?«
»Irgendwann.«
»Aha.«
Es war fast sechs Uhr morgens, und in der Wohnung unter ihnen rauschte es in den Wasserleitungen. Um das Haus schleichender Frühnebel kündigte den nächsten heißen Sommertag an. Kaum, dass sie in seiner Wohnung ankamen, war Andreas durch alle Räume gestürmt und hatte die Fenster aufgerissen, um die frische Luft einzufangen. Früh genug würde die Hitze ihn zwingen, die Jalousien zu senken und jedes Loch im Verteidigungswall zu stopfen, damit die Wärme keinen Weg in sein Heim fand.
Sie kochten. Und es gab die Eierkuchen, nach denen er seit Stunden lechzte. Fasziniert sah Andreas zu, wie Sascha den Teig anrührte und fischte ein Stück Schale aus der Schüssel.
»Ich hoffe, du weißt, was du tust«, murmelte er zum dritten oder vierten Mal.
Er wollte das Rezept im Internet nachschlagen, doch Sascha hatte ihn ausgelacht und ihn einen verzogenen Bengel genannt. Andreas hatte sich nicht darüber geärgert, sondern zurückgeschossen, dass heutzutage eben nur noch Landeier wüssten, wie man Eierkuchen machte.
»Natürlich weiß ich, was ich tue«, wehrte Sascha den erneuten Angriff auf seine Kochkunst ab. »Und jetzt schieb deinen Prachtarsch beiseite und lass mich machen. Sonst wird das hier nie was.«
»Selber Prachtarsch«, grinste Andreas, bevor er aus der Küche wankte und sich daran machte, den äußeren Rahmen für ihr Frühstück zu gestalten.
Achtlos riss er die Polster von der Couch und warf sie durch die offene Terrassentür nach draußen. Dem folgten seine zerschlissene alte Wolldecke und die Kissen aus dem Schlafzimmer. Getränke fanden sich schnell. Bier, Kaffee, Orangensaft, Rum, Wasser. Andreas wusste nicht, wonach ihm zumute war. Seine innere Uhr schrie nach Frühstück, aber sein Magen war in Partystimmung.
Entsprechend bunt war die Mischung, die er in seinem rasenden Hunger zusammenstellte. Käse und Schinken, Chips und Salzstangen, Landjäger und Kekse, Nusscreme, Schlagsahne, Pudding, Weingummi, Senf, Marmelade, Schokoladenriegel, angebratene Nudeln vom Vortag. Die Liste war endlos und ließ ihm das Wasser im Mund zusammenlaufen. Andreas drapierte die Leckereien rund um die Kissenburg, die er errichtet hatte. Blinzelnd betrachtete er sein Werk und fand, dass das erste Picknick seines Lebens vielversprechend aussah.
Zurück in der Küche beobachtete er feixend, wie Sascha mit ihrem Frühstück kämpfte. Ohne passendes Hilfsmittel fischte er nach dem fertigen Eierkuchen, zerrte ihn mit der Gabel über den Rand der Pfanne und verteilte eine gleichmäßige Spur Fett über Herd und Arbeitsplatte.
»Du ferkelst meine Küche ein«, meckerte Andreas aufgesetzt. In Wirklichkeit gab es ihm einen trunken-glückseligen Stich, den Freund in seiner Wohnung zu haben. »Und das, wo es hier vorher so ordentlich war.«
»Ordentlich am Arsch«, entgegnete Sascha trocken, während er mit der Gabel in die fertigen
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