Nach der Hölle links (German Edition)
umhin, stolz zu sein. Was als Todsünde verschrien war, erfüllte ihn mit kindlicher Wärme. Nicht zuletzt, weil Sascha ihn fest umarmte und ihn wortlos wissen ließ, dass er um die Bedeutung dieses Schritts wusste.
Wange an Wange verharrten sie einen Moment, bevor Andreas sich löste: »Ich verschwinde in die Küche. Sonst lande ich wieder auf dem Rücken, und wir haben platte Croissants.«
»Du hast Croissants geholt? Muss ich mir etwas anziehen oder kann ich sofort mitkommen?«, fragte Sascha mit leuchtenden Augen.
Anzüglich ließ Andreas den Blick über den nackten Körper seines Freunds gleiten. »Ich denke ehrlich gesagt darüber nach, dir in meiner Wohnung grundsätzlich zu verbieten, etwas anzuziehen.«
»Könnte es sein, dass du allmählich etwas frech wirst?«, konterte Sascha, ließ sich aber widerstandslos an der Hand nehmen und in die Küche führen.
Im Türrahmen verharrten sie und schlossen sich aus einem Impuls heraus ein weiteres Mal in die Arme. Es war unmöglich, nach der langen Zeit des Darbens voneinander abzulassen und die Gelegenheit zum ausgiebigen Küssen verstreichen zu lassen.
Bis sie sich voneinander trennen konnten, hatte Andreas so lange mit dem Rücken am Holz gelehnt, dass die Croissants und Brötchen zusammengepresst waren. Geschmacklich tat es ihnen keinen Abbruch. Und selbst wenn, hätte es weder Sascha noch Andreas gestört.
Kapitel 40
Es handelte sich um ein gesichtsloses Haus, das in allen Punkten seiner Erscheinung dezent war. Der Vorgarten wirkte ordentlich, aber nicht so gepflegt und ausufernd bepflanzt, dass man stehen blieb, um ihn zu mustern. Der niedrige Zaun war in derselben Farbe gestrichen wie die der Grundstücke rechts und links. Zurückgesetzt in der Reihe der Häuser wirkte das Gebäude, als würde es sich ducken. Das schlichte weiße Schild, das auf den Beruf des Bewohners hinwies, ging im beigen Putz fast verloren. Ein Ort, der Ruhe und friedliche Mittelmäßigkeit ausstrahlte. Kein Luxus, keine Armut. Der unauffällige Mittelweg.
Sascha nickte anerkennend. In seinen Augen war es ein guter Ort für die Niederlassung eines Therapeuten; freundlich, nicht zu pompös. Es gab dem Besuch etwas Familiäres und schob das Gefühl, in ein Krankenhaus oder zu einem Arzt zu gehen, weit von sich.
Ein verschmitztes Lächeln legte sich um seinen Mund. Da, es war so weit. Er begann, wie ein Psychologe zu denken. Wahrscheinlich wohnte Andreas’ Therapeut in dem Haus, das den Eltern seiner Frau gehört hatte oder dass er sich im teuren Hamburg eben leisten konnte. Ganz ohne Hintergedanken. Aber wenn man wartete, aufgeregt war und Herzklopfen hatte, wanderten die Überlegungen in viele Richtungen.
Es war Dienstag. Seit fünf Tagen lebte er einen Traum, dessen Dringlichkeit ihm nie bewusster als jetzt gewesen war. Andreas und er, endlich zusammen. Nicht als Jugendliche, die sich verloren aneinanderklammerten, sondern als Erwachsene, die sich bewusst für den jeweils anderen entschieden hatten. Es fühlte sich großartig an.
Sie hatten das Wochenende zusammen verbracht und sich erst am Montagmorgen schweren Herzens verabschiedet. Trotzdem schien es richtig, sich Luft zu lassen. Andreas musste arbeiten.
Sascha hatte im vergangenen Semester sein Studium vernachlässigt, und das Wintersemester rückte unaufhaltsam näher. Außerdem wollten sie es langsam wachsen lassen. Es genießen.
Sie gingen widerwillig auseinander. Entsprechend landete die erste Nachricht in Saschas Postfach, bevor er bei seiner Tante angekommen war. Andreas hatte sie ihm per Handy aus dem Bus geschickt und ihn gefragt, ob er ihn heute von der Therapie abholen wolle. Natürlich hatte Sascha gewollt.
Er war viel zu früh. Der Zeiger der Uhr schien am Zifferblatt zu kleben und ihn zu verhöhnen. Sascha lehnte an einem Stromverteilerkasten und wollte gelassen wirken. Es gelang ihm nicht. Kein Wunder, dass ihn ein älterer Herr, der mit seinen Einkäufen an ihm vorbeihumpelte, misstrauisch musterte.
Er hatte Muskelkater in den Wangen; vom Dauergrinsen. Tanja freute sich darüber, Fabian war seiner pubertären Phase gemäß schrecklich genervt und Sina hatte ihm gestern beim Abendessen Löcher in den Bauch gefragt. Wann sie Andreas kennenlernen würde, wie er aussehe, ob es die große Liebe sei und all die Fragen, die kleine Mädchen eben interessierten; garniert mit einem aufgeregten Kichern.
Als sich die Haustür auf der gegenüberliegenden Straßenseite öffnete, machte Saschas Herz einen
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