Nach der Hölle links (German Edition)
Delfinkopfsprung ins Wohlfühlbecken. Andreas trat heraus und sah sich suchend um, bevor er ihn entdeckte. Und lächelte.
Sascha musste schlucken, als sein Freund ihm entgegen kam. Einen Augenblick lang wusste er nicht, wie er Andreas begrüßen sollte. Es war ihm fremd, ihn in der Öffentlichkeit zu erwarten, und sie hatten sich nie darüber unterhalten, wie sie auf offener Straße miteinander umgehen wollten.
Die Entscheidung wurde ihm abgenommen, als Andreas ihn kurz umarmte und ein atemloses »Hey« flüsterte. Zu gern hätte Sascha ihn festgehalten, aber er wollte sein Glück nicht überstrapazieren.
»Na, alles klar?«, fragte er und bezwang seine Hände, nicht zuzufassen, nicht nach Andreas’ Unterarmen zu greifen oder sie ihm gleich auf den Hintern zu legen.
»So klar, wie es nach einem Besuch bei Köninger eben ist. Lass uns fix verschwinden, bevor ihm noch etwas einfällt, woran er mich dringend erinnern will. Ich habe Hunger.«
Das hörte Sascha ausgesprochen gern. Sie sollten sich nach einem netten, kleinen Imbiss umsehen und mit ungesunden Sachen vollstopfen; viel davon, wenn es nach ihm ging.
Nebeneinander schlenderten sie die Straße entlang und steuerten auf eine spärliche Grünfläche zu. Als sie den mit Schotter ausgestreuten Fußweg betraten, der sie auf direktem Wege zur Bushaltestelle führte, sah Andreas seinen Freund von der Seite an. »Willst du gar nicht fragen, was mein Herr Therapeut zu den Neuigkeiten gesagt hat?«
Sie hatten in der Nacht von Samstag auf Sonntag darüber gewitzelt, wie Jochen Köninger auf ihre Wiedervereinigung reagieren würde.
»Nein. Das macht man nicht«, schüttelte Sascha den Kopf. »Das soll aber nicht heißen, dass du es mir nicht erzählen kannst, wenn du willst.«
»Gibt nicht viel zu erzählen«, verdrehte Andreas die Augen. »Er war natürlich kein bisschen überrascht und hat mich hinterher mit einem Arsch voller Anweisungen eingedeckt, was wir bitteschön vermeiden sollen.«
»Und zwar?«
»Du weißt schon. Ich soll aufpassen, dass ich nicht anfange, dich zum Einkaufen zu schicken. Oder dass ich nur noch mit dir meine wöchentlichen Termine durchziehe. Heißt auf Hochdeutsch: Wir dürfen zwar gemeinsam zum Sport und ins Kino und so weiter gehen, aber es darf nicht darauf hinauslaufen, dass ich es ohne dich nicht mehr schaffe. Außerdem soll ich nicht aufhören, mich nach sozialen Kontakten umzusehen. Und dass ich mich meinen Eltern stellen und mir natürlich langfristig Gedanken über mein Outing machen soll. Echt, kann der nicht einfach mal sagen: ›Gut gemacht‹?«
Sascha lachte: »Nein, das steht nicht im Kostenplan. Immer hübsch die Gefahren aufzeigen und selbstgefällig grinsen, wenn alles läuft, wie er es sich gedacht hat.«
Er sah sich rasch um. Sie waren allein. Ein Vogelbeerbaum bot etwas Schutz. Er nahm Andreas’ Hand und zog ihn an sich. Halblaut murmelte er: »Gut gemacht.«
Auf mehr hatte Sascha es nicht angelegt. Ein wenig Körperkontakt, ein Flüstern. Als Andreas ihm nah kam, konnte er sich nicht beherrschen. Er schlang ihm den Arm um den Nacken und beugte sich vor, um ihn zu küssen. Andreas zögerte kaum, bevor er Sascha umfasste und den Kuss gierig erwiderte.
Die Tragweite des Augenblicks lungerte als Katalysator in Saschas Hinterkopf. Frischluft, die Geräusche der nahen Straße, der Windzug, der Geruch von frisch gemähtem Gras vereinten sich zu der Gewissheit, dass sie draußen waren und sich küssten. Mochten sie sich auch vor neugierigen Blicken verstecken, waren sie in freier Wildbahn. Das war weit mehr als er vor einigen Monaten erwartet hatte.
Die Finger, die sich in seinen Rücken bohrten, waren auf gute Weise grob. Sie ließen ihn wissen, dass ihm kein Gefallen getan wurde. Andreas hatte ihn vermisst, musste ihn genauso dringend schmecken wie anders herum.
Das Knirschen der Schritte auf dem Weg ignorierten sie. Widerwillig sahen sie auf, als eine keifende Stimme zischte: »Und das in der Öffentlichkeit. Das ist ja widerlich.«
Andreas zuckte zusammen und wurde steif. Sascha machte keine Anstalten, den Mann in seinen Fingern rückwärts treten zu lassen.
Stattdessen warf er der erbosten Fußgängerin einen hitzigen Blick zu. »Warten Sie mal ab, wie widerlich es wird, wenn wir uns erst an die Wäsche gehen. Wenn ich Sie wäre, würde ich weitergehen.«
Die alte Frau riss die Augen auf und fasste den Griff ihrer Gehhilfe fester. »Kein Wunder, dass alles vor die Hunde geht«, grollte sie. »Die Jugend
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