Nach dir die Sintflut
es!«, rief Margaret.
»Hör mir einfach zu.«
»Raus!«
»Du musst schon welchen gehabt haben. Den Rost? Hast du?«
»Raus!«
»Mama, ich liebe dich immer noch!«
»Nicht genug!«, schrie Margaret. Sie nahm den nächstbesten Gegenstand - das Telefon - und bewarf Aby damit. Das Telefon flog nur so weit, wie es das Kabel zuließ, dann wurde es zurückgerissen und krachte Margaret vor die Füße. Als sie sich nach einem zweiten Geschoss umschaute, ließ Aby sich auf die Knie fallen und kroch hinaus.
Sie kroch die Treppe hinunter und durch den Regen und den Schotter bis zum weißen Honda Civic. Sie setzte sich hinein und lauschte dem Regen, der auf das Blech von Motorhaube und Dach klopfte. Als sie sicher sein konnte, dass genug Zeit verstrichen war, ging sie unsicheren Schrittes ins Prairie Embassy Hotel zurück.
Drinnen war niemand zu hören. Ihre Mutter war nicht in der Lobby. Sie war nicht im Wintergarten. Aby entdeckte sie über den Küchentisch gebeugt, eine Teetasse in der Hand und einen lila Fleck auf der Bluse.
Aby hatte dem Styrim natürlich ein Beruhigungsmittel beigemischt, schließlich wusste sie, dass ihre Mutter nicht würde widerstehen können. Sie hatte sich viele Gedanken über die Zeitspanne gemacht, die zwischen Konsum und Wirkung der Droge liegen würde. Die Wirkung hätte einsetzen können, während Margaret stand. In dem Fall hätte sie stürzen und sich die Hüfte brechen können, oder Schlimmeres. Als sie sah, dass
nichts dergleichen passiert war, seufzte Aby erleichtert durch die Kiemen. Sie nahm Margaret die Teetasse aus der Hand, beugte sich tief hinunter und nahm ihre Mutter auf die Schultern.
Abys Oberkörper war immer noch kräftig, und es bereitete ihr keine Mühe, die Mutter hochzuheben. Das Laufen hingegen fiel ihr schwer. Aby schaffte es, ihre Mutter bis zum weißen Honda Civic zu tragen, indem sie kleine, langsame Schritte machte und Margaret wiederholt absetzte, um sich auszuruhen. Der Regen hatte den Boden aufgeweicht und jeden einzelnen Schritt umso gefährlicher gemacht. Für die Strecke von knapp fünfzig Metern brauchte Aby zehn Minuten.
Aby setzte Margaret auf den Beifahrersitz und schnallte sie an. Sie riss am Gurt, um sich zu vergewissern, dass die Steckzunge eingerastet war, und sie rückte Margarets Kopf gerade, damit sie nicht mit einem steifen Nacken aufwachen würde. Dann strich sie sich das nasse Haar aus dem Gesicht.
»Es tut mir leid«, sagte sie.
Aby setzte sich auf den Fahrersitz und ließ den Motor an. Sie wendete in drei Zügen und nahm Kurs auf die Straße. Von Zweifeln an sich selbst und der Richtigkeit ihrer Unternehmung erfüllt schaute sie in den Rückspiegel, um einen letzten Blick auf das Hotel zu werfen. Aber der Regen fiel inzwischen so stark, dass sie nichts erkennen konnte.
10
Das Buch vom Zweifel und vom Ende
Zweiunddreißig
Der Grund der Sprache
Rebecca lag auf dem Rücken im Gras und betrachtete die Äste eines Ahorns, als ein Schatten über ihr Gesicht fiel. Zu ihrer Linken stand ein kleines Mädchen, vier oder fünf Jahre alt, das Jeans und ein gelbes T-Shirt trug. Die Vorderseite des T-Shirts war mit dem Logo einer Fernsehserie bedruckt, die während Rebeccas Kindheit sehr populär gewesen war. Rebecca kam auf die Knie und war nun genauso groß wie das Mädchen. Das Mädchen hielt zwei Kekse in der kleinen Hand. Der eine sah zweifellos nach Schokolade aus, der andere schien Kokosraspeln zu beinhalten. Rebecca fragte sich gar nicht erst, ob sie wach war oder träumte, denn sie war überzeugt, beides zugleich zu tun.
»Welchen möchtest du?«, fragte das Mädchen ungeduldig, so als stelle es die Frage nicht zum ersten Mal.
»Was?«, sagte Rebecca.
»Sag das nicht.«
»Redest du von den Keksen?«
»Du solltest gar nichts sagen.«
»Nein?«
»Nein.«
»Das tut mir leid«, sagte Rebecca, »ich verstehe nicht.«
»Du hast es vollkommen vergessen, nicht wahr?«
»Ich bin ein bisschen verwirrt.«
»Du solltest gar nichts sagen«, sagte das Mädchen und stampfte mit dem rechten Fuß auf.
Rebecca betrachtete das Kind und schwieg.
»So ist es besser«, sagte es und hob die Arme in die Luft. Rebecca betrachtete die Kekse.
»Welchen?«, fragte das Mädchen.
Rebecca wusste immer noch nicht, was sie sagen sollte, deswegen sagte sie gar nichts. Sie schaute an sich herab und bemerkte, dass sie nicht länger kniete. Sie stand aufrecht, war aber immer noch so groß wie das Mädchen.
»Zeit zum Naschen«, sagte das
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