Nach dir die Sintflut
Party?«
»Die schiefgelaufen ist. Die Party mit Derrick Miller.«
»Ich weiß nicht …«
»Versuch es! Ich bleibe dran.«
»Okay«, sagte Rebecca.
Sie legte sich das Handy in den Schoß, beugte sich vor und betrachtete ihre schwarz glänzenden Schuhspitzen. Sie schloss die Augen. Sie sah ihr eigenes fünfzehnjähriges Gesicht in dem Spiegel, der im Flur ihres Elternhauses hing. Ihre Eltern waren übers Wochenende verreist und hatten Lisa und Rebecca zum ersten Mal allein zu Hause gelassen. In der rechten Hand hielt Rebecca das Telefon, am anderen Ende der Leitung war Derrick Miller.
»Vielleicht feiern wir eine Party«, sagte Rebecca, während sie ihre Posen im Spiegel studierte.
»Wann?«, fragte Derrick.
»Heute Abend.«
»Spitze!«
»Ich weiß nicht …«
»Ach, na klar!«
»Meinst du wirklich?«
»Natürlich!«
»Wen soll ich einladen?«
»Alle!«
»Meinst du wirklich?«, fragte Rebecca. Ihr ursprünglicher Plan hatte viel bescheidener ausgesehen.
»Na klar!«, sagte Derrick.
»Na gut. Ich mach’s.«
Rebecca rief ihre Freunde an. Derrick Miller rief noch viel mehr Freunde an. Die ersten Gäste trafen um halb acht ein, und obwohl Rebecca einige Gesichter kannte, wusste sie die dazugehörigen Namen nicht. Alle stolperten herein, ohne die Schuhe auszuziehen. Sie öffneten den Kühlschrank und warfen die Lebensmittel auf den Küchenboden, um mehr Platz für das mitgebrachte Bier zu schaffen. Sie setzten sich auf den Küchentresen und unterhielten sich, ohne Rebecca zu beachten. Flaschen wurden geöffnet, Bierdeckel fielen auf den Linoleumboden, und Rebecca bemühte sich, an den richtigen Stellen zu lachen.
Um neun Uhr war die Party in vollem Gange. In der Küche standen die Teenager dicht gedrängt. Aus der Stereoanlage der Reynolds drang Musik, die Rebecca nie zuvor gehört hatte. Niemand benutzte Untersetzer. Mit einer Rolle Küchenpapier unter dem Arm wanderte Rebecca von einem Zimmer ins nächste, um verschüttete Getränke aufzuwischen. Kurz vor zehn ging das erste Glas zu Bruch. Gegen elf wurde ein Gemälde von der Wohnzimmerwand gestoßen. Kurz nach Mitternacht fingen die ersten Gäste ungefragt zu rauchen an, und ein Pärchen verschwand nach oben.
Um ein Uhr nachts bemerkte Rebecca eine Flasche Pfirsichschnaps auf dem Küchentresen. Sie hielt inne, die Arme mit leeren Flaschen beladen. Derrick Miller ging auf allen vieren und hatte den Kopf im Schnapsschrank vergraben.
»Was tust du da?«, fragte Rebecca mit dünner Piepsstimme.
Die Bierflaschen in ihrer rechten Hand fingen zu rutschen an. Derrick zog den Kopf aus dem Schrank.
»Bitte nicht«, sagte Rebecca. Sie steckte sich ihren Zeigefinger in den Mund und fing an, den Nagel abzukauen. Sie war voller Angst. Sie hatte das Gefühl, die Kontrolle über die Party verloren zu haben. Das Gefühl enterte die Köpfe aller, die in der Küche herumstanden. Es erreichte den Kopf von Derrick Miller, der in den Schrank griff, eine Wodkaflasche herauszog und ein kurzes, verächtliches Lachen ausstieß. Er schraubte den Deckel ab. Der Deckel landete auf dem Linoleumboden und drehte sich um die eigene Achse. Derrick hob die Flasche, wie um ihr zuzuprosten. Er hob die Flasche an die Lippen und trank. Die Gäste in der Küche applaudierten, und Rebeccas Angst wuchs.
Je größer ihre Not wurde, desto frecher benahmen sich die Partygäste. Rebecca biss auf ihrem rechten Daumennagel herum, und die Gäste lachten noch lauter. Derrick Miller hustete, wischte sich den Mund mit dem Ärmel ab und reichte die Flasche weiter. Alle johlten. Die Flasche wanderte durch sechs Hände, aber dann hielt sie an. Das Gelächter verstummte. Derrick hob den Kopf. Rebecca folgte seinem Blick und sah ihre kleine Schwester im Türrahmen stehen.
Die zwölfjährige Lisa hätte eigentlich an der Pyjamaparty von Ruth Montgomery teilnehmen sollen. Sie hatte damit gerechnet, mit Ruth allein zu sein, aber als sie dort ankam, musste sie feststellen, dass Ruth noch sechs andere Mädchen eingeladen hatte. Lisa machte sich darauf gefasst, die schlimmsten Seiten ihrer präpubertierenden Freundinnen kennenzulernen, und kommentarlos erduldete sie den Tratsch über ältere, nicht anwesende Jungen und Mädchen. Aber kurz nach Mitternacht rotteten sich die Mädchen, aufgepeitscht durch zu viel Zucker, Schlafentzug und den Drang nach Anerkennung, gegen Lisa zusammen. Sie hänselten Lisa, weil ihr Nachthemd aus Flanell war und ihr Haar ungekämmt, während die Haare der anderen
so
Weitere Kostenlose Bücher