Nach Hause schwimmen
zu studieren. Wenn Orla mit Touristen französisch sprach oder einem Kunden erklärte, dass der Name Thunfisch auf das griechische Wort thýnnos zurückgehe, schüttelte er den Kopf, konnte sich dabei aber ein stilles Lächeln nicht verkneifen, froh darüber, dass seine geliebte Tochternicht mehr bei den Engländern war. Würde er eben abwarten und sehen, ob Deirdre, die Jüngere, ihre Nase lieber in Bücher oder Berge toter Fische steckte.
Orla erzählte Wilbur gerade von den beiden Schafen, die vom Deck einer Fähre gefallen waren und sich in Meerjungfrauen verwandelt hatten, als Eamon die Küche betrat. Er murmelte einen Gruß, goss Tee aus einem Thermoskrug in seine schwarze Tasse, lehnte sich gegen das Spülbecken und trank schlürfend und laut atmend. Wilbur hasste dieses Geräusch. Er hasste es, weil es schrecklich klang und weil es bedeutete, dass Orla verstummte. War der dunkle, nach Torf und feuchtem Stoff riechende Mann anwesend, versiegte der Fluss aus Tönen, dem er so hingebungsvoll gelauscht hatte und der ihn mehr wärmte als Kleidung und Decken. Warum gab es diesen Riesen überhaupt, der sich zwischen ihn und die Sonne stellte? Wer war dieser Berg, der beim Trinken Geräusche von sich gab, als würde in seinem Mund Papier zerrissen? Was wollte er hier, außer Schlürfen, Schweigen und Schnauben?
Eamon McDermott war siebzehn Jahre und dreiundzwanzig Tage alt, als sein Leben sich für immer änderte. Er lag im Bett unter dem Dach seines Elternhauses und stellte sich vor, wie es wäre, in New York zu leben und beim Bau der Häuser zu helfen, die so hoch waren, dass man sie Wolkenkratzer nannte. Vom Postboten wusste er, dass in der Neuen Welt Männer gesucht wurden, die kräftig und schwindelfrei waren, fähig, zwischen Himmel und Erde auf schmalen Stahlträgern zu balancieren. Seit Wochen lernte Eamon, seine Furcht vor Höhe abzulegen, indem er auf Bäume kletterte und von Klippen in den Abgrund blickte. Erst vor ein paar Tagen hatte ihn ein Nachbar vom Dach seiner Scheune gescheucht, dessen First er mit seitlich ausgestreckten Armen entlanggegangen war.
Eamon wollte nicht Schafe züchten wie sein Vater und sein Großvater. Er wollte nichts mit den dummen, stinkenden Tieren zu tun haben, wollte ihnen nicht im Nebel nachtrotten, nicht mit ihnen über Hügel stapfen oder mit ihnen unter Büschen hocken, vergeblich auf das Ende des Regens wartend. Er hasste die Gerichte, die mit ihrem Fleisch gekochtwurden, hasste die Pullover, deren fettige Wolle ihm die Luft zum Atmen nahm, und er hasste ihr Blöken, das einfältig und klagend war wie das Jammern der alten Weiber vor der Kirche. Er wollte nicht bis ans Ende seiner Tage unter diesen Kreaturen ausharren und irgendwann, genährt von ihrem Fett und eingehüllt in ihr Haar, zu ihresgleichen werden. Nach New York wollte er, über den Atlantik in ein neues Leben, am liebsten mit dem nächsten Schiff.
Daran dachte Eamon, als das dumpfe Bollern vom Strand her zu ihm heraufdrang. Erst hörte er es einmal, dann wieder, schließlich im gleichmäßigen Takt der ankommenden Wellen. Es klang wie Holz, das gegen Stein schlug, ein hohler Ton, ein leeres Fass vielleicht oder ein losgerissener Kahn. Eamon stand auf und ging ans Fenster. Als er zum Meer hinuntersah, schob der Wind eine einzelne Wolke vom Mond weg, der die Bucht beleuchtete wie eine Bühne. Das Boot lag mit dem Bug im groben Kies, die Brandung stieß das Heck mit sanfter Regelmäßigkeit gegen einen Fels. Eamon öffnete das Fenster, streckte den Kopf in die Kälte. Das Mondlicht brachte die Luft zum Glühen, bedeckte jeden Gegenstand. Von der Gestalt, die scheinbar bewusstlos über die Ruderbank gestreckt dalag, konnte Eamon nur die Beine erkennen, schwarze Hosen und weiße Schuhe. Er schloss das Fenster, zog sich an, steckte das Taschenmesser ein und schlich aus dem Haus.
In Stiefeln, groben Hosen und einer Strickweste aus der Wolle seiner Feinde über dem Hemd ging Eamon die fünfzig Meter hinunter zum Strand. Bevor er an das Boot herantrat, bekreuzigte er sich. Der Mann, in dessen Gesicht er blickte, war nicht alt und nicht jung, trug außer der schwarzen Hose einen blauen Pullover und darüber eine Jacke aus grünem Stoff, die schmutzig war und versengt. Als Eamon sich über ihn beugte, bemerkte er den Geruch nach Rauch und Öl, der von ihm ausging. Er hob den Mann, der erstaunlich leicht war, aus dem Boot, trug ihn dorthin, wo der Kiesstrand in zähes Gras und schließlich eine löchrige,
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