Nach Hause schwimmen
mit Steinen und Felsbrocken durchsetzte Wiese überging, und legte ihn hin.
Die Kiste bemerkte er erst, als er das Boot aus dem Wasser zog und so weit nach oben schleifte, dass die Brandung es nicht mehr erreichte. Dann kniete er sich neben den Bewusstlosen, berührte zögernd dessenrußgeschwärztes Gesicht, legte ihm das Ohr an die Brust und spürte, dass sie sich kaum merklich hob und senkte. Erleichtert darüber, dass der Mann am Leben war, rannte Eamon zum Haus, um Hilfe zu holen.
Als er im Flur vor der Schlafkammer seiner Eltern stand, die Hand erhoben, um anzuklopfen, hielt er mitten in der Bewegung inne. Eine Weile verharrte er in der Dunkelheit, hörte das Schnarchen seines Vaters und das Klopfen des eigenen Herzens, ließ die Hand schließlich sinken, drehte sich um und ging hinaus.
Der Mann lag da, wie Eamon ihn hingebettet hatte. Ab und zu bewegten sich seine Lippen, seine Finger und Augenlider zuckten. Er hatte kurzes blondes Haar, und an einem Arm, unter zerrissener Kleidung, war helle Haut zu sehen. Er hätte aus einem der Orte hier stammen können, auch wenn er dazu nicht genug nach Schafmist roch. Eamon deckte ihn mit der grauen Decke zu, die er im Boot fand, und machte sich dann daran, die Kiste über die Bordwand zu hieven.
Die mit Eisenbeschlägen versehene Holztruhe erwies sich als so schwer, dass Eamon das ganze Boot zur Seite kippen musste, damit sie auf die Steine rutschte, wo sie mit dem Boden nach oben liegen blieb. Das Rumpeln und kurze Krachen ließen Eamons Puls rasen. Für einen Augenblick kauerte er mit angehaltenem Atem neben dem Boot und sah zum Haus hoch, darauf wartend, dass der Schein der Öllampe aufflammte und sein Vater ins Freie trat. Doch im Haus blieb es dunkel, und auch der Matrose wachte nicht auf. Das monotone Schwappen der Wellen beruhigte Eamon, und nachdem er ein paar Mal tief ein- und ausgeatmet hatte, machte er sich mit dem Taschenmesser am Vorhängeschloss zu schaffen.
Weil eher die Klinge abgebrochen als das Schloss aufgesprungen wäre, begann Eamon, im Holz des Kistenbodens zu stochern. Manchmal, wenn der Matrose wie im Traum den Kopf bewegte oder mit den Füßen wackelte, setzte Eamon das Messer ab, rieb sich die kalten, schmerzenden Finger oder fuhr mit einem Stein über die Klinge, zwanzigmal auf der einen, zwanzigmal auf der anderen Seite. Er hätte in der Scheune den Schleifstein holen können, der zum Schärfen der Sense benutzt wurde, aber er wollte den Mann mit der Truhe nicht allein lassen. Ginge er fürein paar Minuten weg, so redete er sich ein, wären bei seiner Rückkehr Mann, Boot und Kiste weg. Dass das unmöglich war, wusste er, und trotzdem blieb er sitzen und schabte Stunde um Stunde mehr Holz aus dem Kistenboden.
Seine Finger waren taub vor Kälte und Anstrengung, als endlich ein Loch entstanden war, in das er die flache Hand stecken konnte. Was er ertastete, fühlte sich weich an, wie etwas Kostbares, für seine rauhen Fingerkuppen Verbotenes, der Stoff vom Gewand einer Königin, die Haut eines Mädchens. Griff Eamon danach und schloss die Faust, konnte er die Hand nicht mehr zurückziehen, und so stocherte er mit einem Ast in der Öffnung, bis er den Stoff anheben und mit zwei Fingern hervorziehen konnte. Er hatte noch nie Samt gesehen, nicht einmal davon gehört. Der leuchtend rote Stoff gehörte zu einem Beutel, der zu dick war, als dass er durch das Loch gepasst hätte. Ungeduldig und müde und in der ständigen Angst, der Matrose könne zu sich kommen oder der Vater vor dem Haus auftauchen, schnitt Eamon den Beutel auf.
Das einzige Buch, das er jemals in den Händen gehalten hatte, war die Bibel seiner Eltern. Er konnte nicht lesen, war nie weiter als bis Donegal Town gekommen, er wusste nicht, dass die Erde sich um die Sonne drehte und warum Automobile fuhren. Er lebte wie der Knecht seiner Eltern, die ihm dieselbe innige, derbe Zuneigung entgegenbrachten wie ihren Schafen und dem Hund, der sie zusammentrieb. Er hatte keinen Bruder mehr und keine Freunde, und wäre nicht der Postbote gewesen, der ihm alle paar Wochen ein Geheimnis verriet, hätte er nie geahnt, dass die Welt am Horizont nicht aufhörte und dass es Länder gab und Kontinente, die größer waren als das Königreich seines Vaters.
Er hatte noch nie Gold gesehen, aber als er eines der schweren, mattgelb glänzenden Nuggets in der Hand hielt, durchströmte ihn die brennende Gewissheit, dass er alles, was er hasste oder wofür er nach so langer Zeit nicht mehr genug
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