Nach Hause schwimmen
Schiff war in weniger als einer Stunde gesunken. Die Mannschaft hatte versucht, das im Frachtraum ausgebrochene Feuer zu löschen, aber als das halbe Deck und die Rettungsboote in Flammen standen, als die Kommandobrücke prasselnd zusammenstürzte und mit ihr der Kapitänund der Erste Offizier verbrannten, ließen die Männer alle Hoffnung fahren und sprangen über Bord. Unter einem gleichgültigen Mond im eiskalten Wasser treibend, sahen sie zu, wie das Schiff auseinandergerissen wurde, als die Heizkessel explodierten und schwarze Wolken in den Himmel schickten, und wie es schließlich unterging. Erst träge und dann plötzlich rasend schnell versank der lodernde Koloss, überzog das schwarze Meer mit Blasen und ließ für kurze Zeit die Linie des Horizonts erzittern.
Die darauffolgende Stille hörte keiner der dreiundzwanzig Männer mehr, die, einer nach dem anderen, ihrem Schiff in die eisige Dunkelheit gefolgt waren. Hätte einer von ihnen überlebt, an ein Stück Treibholz geklammert oder auf dem Rücken eines Wals sitzend, und hätte er die Küste im Nordwesten Irlands erreicht wie am Ende eines schrecklichen Märchens, so hätte er vielleicht das Rettungsboot gesehen und den Ma trosen darin, der einmal zu ihnen gehört hatte, zumindest auf dem Papier.
Er lag im trockenen Teil des Stalls auf Stroh. Eamons Vater wollte den Fremden nicht im Haus. Aidan McDermott hatte in seinem Leben schon einige Schiffbrüchige gesehen, viele davon Männer, die er kannte, und die meisten von ihnen tot, angeschwemmt an die felsige Küste und aufgebahrt in einem dunklen, kalten Haus. Er war kein Mann der See, stand lieber auf fester Erde als auf schlingernden Planken. Den Fischerbooten sah er, auf einem Hügel stehend, ohne Sehnsucht nach, und die Bereitschaft dieser Männer, sich mit den Elementen zu messen, war für ihn eine dreiste Herausforderung an Gott, eine hochmütige Wette, die der Mensch verlieren musste. Außerdem hasste er Fisch in dem Maße, in dem sein Sohn Schafe hasste. Wenn es am Freitag trotzdem welchen gab, würgte er ihn hinunter, weil er es für seine Christenpflicht hielt.
Dass die arme Seele im Stroh nicht dem Untergang eines Fischerboots entkommen war, sah Aidan gleich. Die Schuhe aus Segeltuch, die schwarzen Leinenhosen, der blaue Pullover aus einer Wolle, die nicht vom Schaf sein konnte, und die schmutzige, aber gute Regenjacke passten nicht zu einem Matrosen, der täglich knietief im schleimigen Auswurf der See watete. Überhaupt ging von dem Mann kein Fischgestankaus, seine versengte Kleidung roch nach Rauch und etwas, das Aidan an Maschinenöl oder Dieseltreibstoff erinnerte. Und dann die Wolldecke, grau mit schwarzem Balken, in dem etwas stand, vermutlich der Name des Unglücksschiffes. Aidan hatte nie einen Fuß auf ein Fischerboot gesetzt, wusste aber, dass keines in Irland Wolldecken dieser Qualität an Bord hatte, geschweige denn mit eingewirktem Namen.
Aidans Frau hatte dem Seemann die Kammer neben der von Eamon herrichten wollen, ein Bett in einer Behausung, deren Boden aus Brettern war statt Lehm und wo es nicht durch Ritzen zog. Zu der man gelangte, ohne über eine schlammige Wiese zu gehen, und die für Menschen gebaut war und nicht für Vieh. Aber ihr Mann hatte es anders bestimmt, und sie widersprach ihm nicht. Nuala McDermott war eine kleine, schweigsame Frau mit wenig Ansprüchen und viel Kraft. Dass sie Forderungen an ihr Leben stellen könnte, war ihr nie in den Sinn gekommen, sich Dinge zu wünschen, hielt sie für anmaßend. Ein neuer Kochtopf bedeutete Glück, eine Bettdecke, gefüllt mit Gänseflaum, den Himmel. Anders als ihr Mann, empfand sie Fremden gegenüber nicht Argwohn, sondern Neugier. Stand sie auf dem Hügel und blickte den Schiffen nach, versuchte sie sich vorzustellen, was die Menschen am Ende der Reise erwartete. Nicht dass sie neben ihnen an Deck hätte stehen und zusehen wollen, wie sich der Streifen Land, der ihr Zuhause war, langsam auflöste. Dazu fehlte ihr der Mut, war ihre Sehnsucht zu unbestimmt. Sie hing lieber ihren von Hörensagen und Einbildungskraft genährten Träumen nach, erschauernd beim Gedanken an fremde Länder, Menschen, Tiere, malte sich Dinge aus, saß dabei in ihrer Küche und schälte Kartoffeln für die beiden Männer, die ohne sie verloren waren.
Jetzt versuchte sie eben, das Krankenlager im Stall so bequem zu machen, wie es ging. Gegen Aidans verhaltenen Protest hatte sie die Bettdecke aus Paudraigs Zimmer geholt, um den Frierenden
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