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Nach Hause schwimmen

Titel: Nach Hause schwimmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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zuzudecken. Eine Suppe hatte sie gekocht, Karotten und Kartoffeln lagen am Grund der Schüssel und natürlich Stücke vom Schaf, auf der Oberfläche lagen schimmernde Fettkreise. Aber der Matrose, inzwischen bei Bewusstsein, wollte nicht essen. Er lag auf der Wolldecke im Heu, die schmutzigen Finger, von denen sich Fetzen verbrannter Haut lösten, in die gute Decke gekrallt, und hustete, dass es ihm den Oberkörperkrümmte. Rußiger Speichel floss aus seinem Mund, vermischte sich mit Tränen und zog Linien in die Schicht aus Dreck und Asche, die sein Gesicht überzog.
    »Er wird sterben«, sagte Aidan, während er seiner Frau zusah, wie sie beinahe zärtlich die Stirn des Mannes wusch, der ausgerechnet in seine Bucht gespült worden war.
    »Lass Gott das entscheiden«, sagte Nuala. »Und den Doktor.«
    Der Arzt, den Eamon drei Stunden später in den zum Lazarett umfunktionierten Stall brachte, sah sich den Matrosen an, ließ eine Flasche Hustenelixier und eine Salbe gegen die Brandwunden da und machte sich mit einem Pfund gepökeltem Schafsfleisch als Bezahlung auf den Rückweg nach Rathmullan. Man solle für viel frische Luft im Stall sorgen, was wegen der fehlenden Tür leicht zu bewerkstelligen war, den Mann trotzdem warm halten und ihn mit Suppe aufpäppeln.
    Die Aufgabe, den Mann zu füttern, fiel Eamon zu, der von nun an ganze Tage und halbe Nächte im Stall damit verbrachte, die kurzen Pausen zu nutzen, in denen sein Patient nicht schlief oder hustete und einen Löffel Suppe schlucken konnte. Eamons Vater hatte auf der Suche nach einem Hinweis auf die Herkunft des Matrosen dessen Taschen durchsucht und dabei einen Kompass, eine Schachtel Streichhölzer, einen Lederbeutel mit Tabak und Papier, ein paar fremdländische Münzen, einen Brief und einen Schlüssel gefunden. Die Dinge lagen jetzt aufgereiht auf einem Balken, und wann immer Eamons Blick auf den Schlüssel fiel, erfasste ihn eine Welle aus Scham über sein Versäumnis, in der Nacht zuvor danach gesucht zu haben.
    Seine Eltern hatten gerätselt, zu welchem Schloss der Schlüssel wohl gehörte, und ihr Sohn war rot geworden und hatte absurde Vermutungen gestottert. Schlief der Matrose, unruhig und mit rasselnden Lungen, saß Eamon über den Brief gebeugt da, als würde sich ihm das Rätsel der blassen blauen Schrift mit den vielen Kringeln und Schlaufen offenbaren, wenn er nur lange genug darauf starrte.
    Manchmal lag der Matrose mit offenen Augen da, rang nach Luft und presste Worte aus sich heraus, zerstückelte, von grauem Schaum begleitete Sätze, die flehend klangen und verzweifelt. Dann streckte er eine Hand aus und griff in die Luft, wimmerte und ließ den Arm baldsinken, erschöpft und vibrierend unter der Ankündigung eines weiteren Hustenanfalls. In den kurzen Phasen, in denen er röchelnd zurückglitt in die Besinnungslosigkeit, schien er von schlimmen Träumen heimgesucht zu werden.
    Nicht die wachen, die Momente des fiebrigen Deliriums waren es, in denen Eamon sich am meisten vor dem halbtoten Mann fürchtete. Wenn Bilder durch den dunklen Schädel des Matrosen zogen und die Augäpfel unter den flimmernden Lidern in Aufruhr brachten, wurde Eamon von Entsetzen ergriffen, verließ den Stall und rannte zum Strand, wo er so viel von der feuchten Luft in die Lungen holte, dass seine Rippen knackten. Mit stechendem Brustkorb zum Horizont blickend, ahnte er nichts von der Tragödie, die sich dahinter abgespielt hatte.
    Er sah nicht den Matrosen mit den blonden Haaren, wie er im Frachtraum Öl ausschüttet und mit einem Streichholz in Brand setzt. Wie er den Hund, das Maskottchen der Pride of Durban , der ihm in den Bauch des Schiffs gefolgt ist, aufheben und nach oben tragen will, in Sicherheit. Wie der Hund bellend davonrennt, als sei alles ein Spiel und die Ladung nicht im Begriff, in Flammen aufzugehen. Wie er dem Tier folgt, seinen Namen ruft, durch die Gänge zwischen den riesigen Holzkisten stolpert, vom Rauch schon fast blind im Labyrinth herumirrt und schließlich, von den Flammen schon versengt, das Bellen hinter sich lässt und die Eisenleiter hochklettert, an Deck das Rettungsboot, in dem seit dem Morgen die Kiste liegt, zu Wasser lässt, geschüttelt von Kälte und Grauen über das eigene Tun. Wie er das Schiff verlässt und mit ihm die Kameraden, die gelacht hatten über ihn, als ihn Heimweh plagte, die ihn verspotteten, als er aus Sehnsucht nach seiner Frau weinte. Die einen Brief von ihr aus seinem Versteck gestohlen und herumgezeigt

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