Nach Hause schwimmen
geklaut?«
»Aus dem Raum, wo die Sachen aufbewahrt werden.«
Ich sehe Aimee an. Sie hält den Kopf gesenkt.
»Hat das keiner gemerkt?«
»Doch, ja, wahrscheinlich. Ich war nicht mehr da, um es herauszufinden.« Jetzt sieht sie mich an. Dann stellt sie die Tasse auf den Boden und geht zum Fenster, legt eine Hand ans Glas. »Aber keine Sorge, ich wollte sowieso kündigen.«
Eine Weile schweigen wir. Aimees Hand liegt auf der Fensterscheibe. Ich überlege, wie ich ihr mit dem Artikel helfen kann. Möglicherweise interessiert sie der Vorfall mit der defekten Überwachungskamera. Oder dass ich wegen einer Lücke im Sicherheitsnetz in den Besitz eines Bademantelgürtels gekommen bin, mit dem ich mich hätte erdrosseln können.
»Warum bist du zu mir ins Hotel gekommen?« höre ich mich schließlich fragen.
»Was?« Aimee dreht sich um und legt die Stirn in Falten. »Warum fragst du?«
»Nur so.« Ich bereue, ihr diese Frage gestellt zu haben. Aber dann ist mir alles egal. »Hast du Carson auch besucht?«
»Wen?«
»Kanonenfutter Carson. Der Kerl, der desertiert ist. Hast du den auch besucht, nachdem er draußen war?« Ich stehe auf, dabei stoße ich mit dem Fuß meine Tasse um. Kaffee versickert im Teppich. Es regnet nicht mehr. Ein Vogel sitzt auf einem Stromkabel, eine Amsel, glaube ich. Jedenfalls ist er schwarz, und als er auffliegt, lösen sich Tropfen vom Kabel. Ein Motorrad fährt vorbei, die Haustür fällt ins Schloss.
»Was soll das, Will?« Aimee hat die Tasse auf das Tablett gestellt und drückt ein Papiertaschentuch auf den Fleck.
»Tut mir leid«, sage ich. »Ich bezahl die Reinigung.«
»Ich rede nicht vom Teppich!«
»Ich verstehe das alles nicht! Du hast diese Typen im Gartenhaus an dich rangelassen. Und mich. Du hast mit mir geschlafen. Und jetzt soll ich dir bei diesem Artikel helfen. Was willst du von mir?«
»Ich hab niemanden an mich rangelassen, du Idiot!« Aimee wirft das zerknüllte und mit Kaffee vollgesaugte Taschentuch auf das Tablett und steht auf. Sie sieht mich wütend an, und ich drehe mich wieder zum Fenster. »Ich hab ihnen erlaubt, meine Titten anzufassen! Damit sie eine Ahnung davon kriegen, warum es sich lohnt, zu leben! Wegen meinenBrüsten und den Brüsten anderer Frauen und weil verdammt noch mal alles besser ist, als sich umzubringen!« Sie geht wütend aus dem Zimmer und lässt die Tür offen.
»Warum hast du mit mir geschlafen?« frage ich, aber ich bin zu leise, sie hört mich nicht. Die Wohnungstür wird geöffnet und geschlossen. Draußen wird es langsam dunkel. Der Himmel ist von einem hellen Grau, fast makellos sauber. In einem Zimmer im Haus gegenüber geht ein Licht an und macht aus dem Fenster ein gelbes Viereck in der dunklen Fassade.
»Aim, ich muss dir unbedingt ... oh ...« Der Typ, der im Türrahmen steht, muss Stewart sein. Er ist groß und kräftig, und seine Haut ist noch immer braun vom Sommer. Er trägt Jeans und ein kariertes Baumwollhemd über einem T-Shirt, auf dem BON JOVI steht. Wenn ich so was anziehe, sehe ich aus wie zwölf. Jetzt, wo Stewart vor mir steht, hasse ich ihn nicht mehr. Ich bin nur plötzlich sehr müde. Ich dachte, ich hätte das hinter mir, aber ich bin neidisch auf diesen Kerl, weil er mich um fast zwei Köpfe überragt und weil er vor Selbstbewusstsein strotzt. Und weil sein Zimmer drei Schritte von Aimees entfernt liegt. Stewart sieht kurz über seine Schulter und mustert mich dann.
»Du bist ...«
»Ich bin«, sage ich und lasse es dabei bewenden. Stewart ist für einen Augenblick verwirrt, dann lächelt er.
Aimee kommt mit einem Lappen und einem Geschirrtuch aus der Küche.
»Hi, Stew.« Sie geht an ihm vorbei, kniet sich hin und schrubbt an dem Fleck herum.
»Aim, du wirst es nicht glauben. Ich hab dir doch gestern von diesem Puma erzählt, Chuck.«
»Lass mich raten«, sage ich, all meinen Mut und meine Feigheit zusammennehmend, und gehe an Stewart vorbei auf den Flur, »du hast Chuck einen Zahn gezogen. Einen vereiterten. Ohne Betäubung. Mit bloßen Händen.« Ich gehe zur Wohnungstür, öffne sie und trete ins Treppenhaus. Ich lasse die Tür hinter mir zufallen. Das Licht geht aus, und ich stehe eine Weile da.
Aimee kommt nicht hinter mir hergelaufen. Sie ruft nicht einmal nachmir. Eine Weile warte ich noch, dann gehe ich langsam im Stockdunklen die Stufen hinunter.
Der Regen ist in dichtes Nieseln übergegangen, eins von der Sorte, das einen in kürzester Zeit bis auf die Knochen durchnässt. Ich bleibe
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