Nach Hause schwimmen
steckte, versorgt von Dienstboten, umgeben von Toastern, Badewannen und so viel Sauberkeit, dass der Alte auf den Boden schiss, um noch einmal Dreck zu riechen, auch wenn er nicht von Schafen kam.
Aidan McDermott, von dem es ein Foto gab, ein teures Studiobild, auf dem ein zerknitterter Mann in einem schaufensterneuen Anzug artig lächelt, war auf den Fliesen des Badezimmers gestorben, mitten inder Nacht, als das Personal schlief und sein Sohn im Traum ein anderer, besserer Mensch war.
Orla stand auf und ging ins Bad. Sie machte das Licht nicht an, trank ein Glas Wasser und sah ihr Gesicht im Spiegel wie in der Oberfläche eines dunklen Sees. Eine Wolke stand hinter ihr, ein weißes zerknülltes Handtuch in einem Regal. Der Boden unter ihren nackten Füßen war kühl, auch das Waschbecken, auf das sie sich mit einer Hand stützte. Eamons Atemzüge drangen herüber, unregelmäßig und stockend. Sie nahm seinen Rasierpinsel, fuhr sich damit über den Handrücken, über die Wange. Er hatte sich geschnitten am Tag ihrer Hochzeit, so aufgeregt war er gewesen. Orla musste lächeln, noch immer und trotz allem, wenn sie daran dachte, wie nervös und tolpatschig Eamon gewesen war und wie ernst und beinahe ängstlich er in die Kamera geblickt hatte, als sie alle vor der Kirche in Letterkenny standen. Wie erleichtert er war, als das offizielle Programm vorbei war und die ganze Gesellschaft den Ballsaal eines Hotels in Beschlag nahm.
Paudraig, Eamons großer Bruder, der aus einem Land in Afrika angereist war, wo er mit seiner Truppe die Ansprüche Englands verteidigte, nahm seine Aufgabe als Trauzeuge ernst und hielt nach dem Essen eine Rede. Als er sagte, wie sehr er und Eamon sich wünschten, ihre Eltern wären hier, um mit ihnen zu feiern, fing Eamon an zu weinen. Er schluchzte in seine Serviette und hörte auch nicht auf, als Paudraig seine Ansprache mit einer taktvollen Bemerkung beendete und zögernd Beifall geklatscht wurde. Orla hatte Eamon an der Hand genommen, der Kapelle ein Zeichen gegeben und war mit ihm auf die Tanzfläche gegangen, wo sie ihren Mann, der sie um einen Kopf überragte, zu den Klängen eines Walzers in den Armen hielt, bis er sich beruhigt hatte.
Summte sie den Walzer? Sie stellte den Rasierpinsel zurück. Atemzüge. Liebe. Die Spanne eines ganzen Lebens. Ihre Augen gewöhnten sich an die Dunkelheit. Sie blickte in den See, fast bis zum Grund. Paudraig war kleiner als Eamon, aber muskulös und braungebrannt. Eine Narbe zog sich quer über seine Wange, eine geschwungene Furche vom Mundwinkel bis zum oberen Ohransatz. Orla war als einzige indiskret genug gewesen, ihn zu fragen, wie er sich diese Verletzung zugezogenhatte, und er erzählte von schwirrenden Gewehrkugeln und Glück und dem ewigen Lächeln, das seither in seiner rechten Gesichtshälfte stand. Er redete an diesem Fest, das nicht recht in Schwung kommen wollte, mehr als Eamon in den ganzen Monaten vor der Hochzeit. Seine Stimme war sanft und leise, und er schien selber voller Verwunderung zu sein über das seltsame Leben, von dem er berichtete. Er stand mit Orla an einem Fenster, durch das der Blick auf wehende Laken an einer Leine ging, trank Tee statt Schnaps und trug Geschichten vor vom Krieg und von Elefanten, vom Irrsinn des Tötens und vom Lachen der Hyänen. Er tanzte mit ihr, obwohl die Musik nicht mehr spielte. Paudraig McDermott starb am Biss einer Schlange, fern von zu Hause, das es nicht gab, unverheiratet, lächelnd.
Das Wasser kam aus der Erde, sie schüttete es weg, stellte das Glas auf das Regal. Eamon wisperte seine Litanei aus Wörtern, die keinen Sinn ergaben. Bereute sie den Tag? Das Wort? Trug sie den Ring überhaupt noch? Ja, da war er, ein Teil ihres Fingers, eingesunken ins Fleisch, ein Kreis aus Gold, der sich schloss, ein anderes Wort für Ewigkeit. Aber die Zeit hatte längst aufgehört, unendlich zu sein und voller Versprechen. Die ersten Jahre in Cork, die Schwangerschaft, die glücklichen Tage waren viel zu früh Erinnerung geworden, Maureen im sonnendurchfluteten Garten, am Ast der mächtigen Buche schaukelnd, für immer da und schon fort.
Sie hätte mitgehen sollen, als Maureen Irland verließ, um in Amerika zu leben. Stattdessen war sie bei Eamon geblieben, der Unsinn herunterbetete in der Dunkelheit, sich drehte, der Fels, nach Erde riechend. Eamon, der das Haus in Cork verkaufte, um in den Norden zu gehen. Der Land erworben hatte, alles, was rund um das Grundstück seiner toten Eltern zu haben
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