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Nach Hause schwimmen

Titel: Nach Hause schwimmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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ein Buckelwal war und wie ein Vulkan entstand, verlor sie den Streit in letzter Instanz. Einen Tag nach der amtlichen Verfügung steckte man den acht Jahre alten Wilbur, der mühelos als Sechsjähriger durchging, in die Uniform und zweite Klasse einer Schule, die in einem schmucklosen Gebäude außerhalb einer Ortschaft namens Portsalon untergebracht war.
    Es gab zwar einen Bus, der die Kinder auf den entlegenen Höfen aufsammelte, aber Orla fuhr Wilbur selber zur Schule und holte ihn dort wieder ab. Manchmal, nachdem sie im Auto gewartet hatte, bis Wilbur im Schulhaus verschwunden war, fuhr Orla an die nahe Küste und blieb dort, bis der Unterricht zu Ende war. Ohne ihren Enkel fühlte sie sich im Haus einsam und unnütz. Die ersten Tage allein hatte sie damit verbracht, das Zimmer aufzuräumen, die Küche gründlich zu putzen und für Eamon Essen vorzukochen, das sie in Plastikschüsseln abfüllte und einfror. Dann wusch sie sämtliche Vorhänge, jätete verbissen Unkraut und strich die Stühle, die das ganze Jahr draußen standen, neu. Als sie sich nach einer Woche dabei ertappt hatte, wie sie vor dem Sandkasten kniete und Muscheln nach ihrer Größe sortierte, war sie in den Wagen gestiegen und losgefahren.
    Die Küste in der Nähe des Schulhauses unterschied sich nicht von der bei Fanad Head, aber die Tatsache, dass es nicht die vor ihrem Haus war, wirkte auf Orla beruhigend. Oft saß sie stundenlang im Auto, suchte einen Sender und blickte auf das Meer, das dasselbe war wie in ihrer Bucht und doch ein anderes. Seine Farbe war heller, und die Wellen erschienen ihr weicher und weniger bedrohlich. Sogar die Möwen hier kamen ihr freundlicher vor, sie flogen höher und ihre Rufe klangen lockend statt spöttisch. Wenn das Wetter es erlaubte, ging sie ein wenig spazieren und ließ sich den Wind über das Gesicht wehen. Beim Gehenüberlegte sie sich, worüber sie mit Wilbur reden, was sie in den nächsten Tagen für ihn kochen und welche Geschichten aus der Zeitung sie ihm während des gemeinsamen Abendessens erzählen würde.
    Im Auto lernte sie die Texte von Liedern auswendig, die im Radio gespielt wurden, strickte Pullover und füllte Zettel der öffentlichen Bibliothek von Letterkenny aus, mit denen sie Bücher für Wilbur reservierte. All das tat sie, um Zeit totzuschlagen, aber ihr wirkliches Leben fing immer erst dann wieder an, wenn sie mit Wilbur zusammen war.
     
    Die ersten Wochen in der Schule waren für Wilbur die Hölle, und die Zeit danach wurde nicht viel besser. Er war der schmächtigste und kleinste unter den Jungen, und die Tatsache, dass ein Artikel über den Streit, den seine Großmutter geführt hatte, im Donegal Democrat erschienen war, machte ihn zur lokalen Berühmtheit. Die Lehrer, deren pädagogischen Fähigkeiten Orla McDermott infrage stellte, empfingen ihn mit kaum verhohlener Missbilligung, und für seine Mitschüler bot er die ideale Zielscheibe für Spott und Verachtung. Wilburs Klassenlehrerin, Miss Ferguson, eine Witwe in den späten Fünfzigern, behandelte ihn zwar wie ihre übrigen Schüler, aber das änderte nichts daran, dass er todunglücklich war. Er vermisste Orla, er wollte ihre Stimme hören und sie in jeder Sekunde, in der er wach war, bei sich haben. Zwar brachte er den Lehrbüchern und der Landkarte ein gewisses Interesse entgegen, aber im Klassenraum fühlte er sich eingesperrt, er hasste den Ton der Pausenglocke und fürchtete sich vor seinen Mitschülern.
    Oft saß Wilbur auf seiner Bank, hielt in der Hosentasche den Indianer auf dem Pferd fest und dachte an Orla und daran, dass er alles dafür geben würde, bei ihr zu sein. Ertappte ihn Miss Ferguson bei seinen Tagträumereien, musste er aufstehen und unter den Blicken der übrigen Kinder wiederholen, was die Lehrerin eben gesagt hatte. Weil er das nicht konnte, musste er für den Rest des Unterrichts neben ihrem Pult stehen, ohne sich zu rühren, und regelmäßig ließ sie ihn eine Stunde nachsitzen und Sätze in ein liniertes Heft schreiben.
    »Ich soll der Lehrerin zuhören.« »Ich soll dem Unterricht folgen.« Jede Seite hatte dreiundzwanzig Zeilen, und für jede Zeile ließ Wilbur sich genau so viel Zeit, dass die Strafaufgabe die Stunde füllte. Das erste Malhatte er den Fehler begangen, nach einer halben Stunde fertig zu sein und aus dem Fenster zu sehen, worauf Miss Ferguson ihn eine weitere Seite schreiben ließ und eigens für ihren unaufmerksamen Wunderknaben anspruchsvollere Sätze ersann. »Wenn Gott

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