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Nach Hause schwimmen

Titel: Nach Hause schwimmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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aufgefallen war. Die Taschen ihrer Cargohose sind noch immer vollgestopft mit irgendwelchem Zeug, die Kabel der Ohrstöpsel hängen raus und die schlaffen Finger weißer Gummihandschuhe. Aimee bleibt am Bettrand sitzen, den leeren Teller auf den Knien, und sieht mich an.
    »Ich will dir ja nicht zu nahe treten, aber du könntest wirklich ein Bad vertragen.« Sie erhebt sich und stellt den Teller auf das Tablett. Dann öffnet sie mit einem Schlüssel eine Klappe an der Wand neben der Tür und dreht einen Schalter, vermutlich die Klimaanlage. Dazu hebt sie das Sweatshirt hoch, weil der Schlüssel an einem Bund vor ihrem Bauch hängt.
     
    Ich muss zugeben, dass ich stinke. Wenn ich die Bettdecke anhebe, weht mir ein süßlichfauliger Geruch entgegen, streng und beinahe unmenschlich, als würden da unten exotische Tiere ihre Jungen aufziehen.
    »Soll ich dir ein Bad einlassen?« fragt Aimee. Sie verschließt das Türchen, damit ich mich nicht mit Hilfe der Klimaanlage umbringen kann, zieht das Sweatshirt runter und dreht sich um. Sie nimmt das Tablett vom Stuhl, sieht mich an. »Nick einfach, der Rest wird erledigt.«
    Ich sehe an die Decke. Meine Kopfhaut juckt, ich kann das ranzige Fett in meinen Haaren riechen. Die Wunde am linken Handgelenk kribbelt unter dem Verband. Ich frage mich, ob der Schnitt genäht werden musste. Habe ich mir gestern eigentlich in die Hose gepisst? Oder war das, wenn überhaupt, vorgestern, vor drei Tagen? Den Aromen nach zu urteilen, die mir entströmen, liege ich hier schon eine Ewigkeit. Ich ekle mich vor mir selber. Ich nicke.
    »Einmal Vollbad, wird sofort erledigt.« Aimee lächelt und verlässt das Zimmer.
     
    Ich liege da und bereue es, genickt zu haben. Eine Dusche wäre mir lieber gewesen. Ich hätte um Papier und Stift bitten sollen, stumm natürlich, mit Gesten, oder eine Dusche pantomimisch darstellen, die Finger flatternd über meinem Kopf, langsam rieselnde Tropfen. Ich hätte mir mit imaginärem Duschgel die Achseln einseifen, mit unsichtbarem Shampoo die Haare waschen sollen. Vor meinem verhinderten Ertrinken im Loch der verlorenen Seelen hatte ich nichts gegen Badewannen. Orla steckte mich mindestens dreimal die Woche hinein, und ich fand es überhaupt nicht beängstigend. Ich hatte ein kleines Schiff aus rotem und gelbem Plastik, einen Schlepper, der sich durch die schaumige See zwischen zwei Inseln kämpfte, meinen Knien. Orla sang Seemannslieder und wusch mir die Haare. Dampf hing in der Luft und legte sich als feine Schicht auf den Spiegel, in die Orla später unsere Namen und ein Herz zeichnete.
    Warum erinnere ich mich bloß an diese Dinge und nicht daran, was vor ein paar Tagen passiert ist? Wo bin ich ins Meer gefallen? Bin ich reingesprungen? Wie bin ich dorthin gekommen? Warum träume ich von einem toten Hund? Als ich mich aufsetze, wird mir schwindlig,schwarze Punkte tanzen vor meinen Augen wie Hologramme von dicken Fliegen.
    Die Tür geht auf, und meine beiden Kumpels kommen rein, als wären wir zu einem Abend vor dem Fernseher verabredet. Sie tragen weiße Hosen und Poloshirts, ein grünes und ein gelbes, reden aufgekratzt auf mich ein, stellen mich auf die Beine und ziehen mir einen riesigen weißen Bademantel mit Kapuze an. Einer der beiden stülpt eine Plastiktüte über meine linke Hand und umwickelt sie hinter dem Verband mit einem Riemen aus Klett. Ich schwanke ein wenig, komme mir vor wie ein Boxer, der für den Kampf vorbereitet wird und schon in der Garderobe angeschlagen ist. Der andere hebt meine Füße an und schiebt sie in die Gummischlappen, die neben meinem Bett stehen und mich an kleine bunte Boote erinnern, bereit zum Auslaufen. Ich lese die Namensschildchen auf ihrer Brust. Philipp und Robert.
    »Und los geht’s«, sagt Phil.
    »Immer einen Fuß vor den andern«, sagt Rob.
    Sie stützen mich auf beiden Seiten, jetzt bin ich Butch Coolidge in Pulp Fiction , der zum Ring gebracht wird, angetrieben von Musik und Adrenalin und dem tobenden Publikum, das Blut sehen will. Wir verlassen den Raum, meine Aufbewahrungszelle, und gehen den Flur entlang, beschienen von Neonlicht. Ich spüre die Hände meiner Freunde an den Ellbogen und unter den Achseln, sie führen mich ab, bringen mich sicher ans Ziel. Mein Geruch ist bei mir und bleibt zurück, er umweht mich, hüllt mich ein, eine Aura aus schwerer, öliger Luft. Ich setze einen Fuß vor den anderen, gehorsam wie einer von McSweeneys Robotern.
    Gerade als ich mich darüber freue, den jungen

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