Nach Hause schwimmen
McSweeney nicht vergessen zu haben, geht eine Tür auf, und wir bleiben einen Augenblick stehen, um zu warten, bis das Licht einer Lampe, die einer fliegenden Untertasse gleich von der Decke hängt, den Raum erhellt hat. An einer weiß gefliesten Wand, die mich an Taggarts Tempel erinnert, steht ein Objekt aus Chromstahl, das eine Badewanne sein muss, als solche jedoch nicht sofort erkennbar ist, obwohl sich grünes Wasser darin befindet, auf dem Schauminseln treiben. Schläuche wachsen aus seinem Bauch, der mich und meine Begleiter als verkrümmte Zerrbilder widerspiegelt, in der Seite ist eine Tür mit versenktem Griff eingelassen, und wie zumBeweis, dass es sich bei diesem amputierten Stahlbug tatsächlich um eine Badewanne handelt, liegen auf einem Regal ein Schwamm, ein Rückenschrubber und eine gelbe Gummiente.
»Dann wollen wir mal«, sagt Phil, der kleiner und breiter ist als sein Kollege und auf dessen Kopf die Haare um ein bereits kahles Zentrum herum ausfallen. Er tunkt seine Hand ins Wasser und nickt.
»Hinein ins Vergnügen«, sagt Rob, der Große mit dem dichten Haar, der angenehmen Stimme und einem Gesicht, das die Frage aufwirft, warum es mich hier drin anlächelt statt draußen von einem Plakat, das für Nassrasierer oder Shampoo wirbt.
Phil streift mir den Bademantel ab, Rob die Latschen von den Füßen. Ich lege zwei gewölbte Handflächen über meinen Schritt und schließe die Augen. Dass ich den kleinen Raum mit meinen Ausdünstungen fülle, kann zwar als menschlich gewertet und irgendwie entschuldigt werden, aber es reicht, dass ich in der vergitterten Bodenöffnung verschwinden möchte, aus der ich aufsteigende Sambamusik zu hören glaube. Die Pfleger heben mich hoch, indem sie ihre nackten, gekreuzten Arme so unter mein Gesäß schieben, dass meine Hoden genau in die Lücke dazwischen passen, und ich wünsche mir, auf der Stelle tot zu sein. Ich werde zur Wanne getragen, über deren Rand gehievt und, von aufmunternden Worten begleitet, vorsichtig abgesenkt. Erst jetzt bemerke ich, dass es sich bei diesem Modell um eine Sitzbadewanne handelt, wie sie in Krankenhäusern und Altersheimen üblich sind. Während meine Füße tief unter mir im algengrünen Wasser schimmern, bleibt meine Brust trocken. Die Hand in der Plastiktüte dümpelt neben mir zwischen Schaumschollen, ich lächle dankbar und warte darauf, alleine gelassen zu werden.
»Nicht erschrecken«, sagt Rob.
Ich erschrecke, als mir lauwarmes Wasser über den Kopf fließt und eine Hand auf die Schulter gelegt wird. Ich schnappe nach Luft, ein Reflex.
»Alles in Ordnung?« fragt Phil.
Ich nicke. Das Wasser wird wärmer und über meinen gekrümmten Rücken gelenkt. Ich atme heftig und denke daran, nach einem Trinkhalm zu fragen, einem Schnorchel, lasse es dann aber bleiben und haltestattdessen die Luft an. Meine Haare werden gewaschen, sanft und geübt, als würde auf meinem Schädel eine fragile Skulptur errichtet. Ich spüre, wie die Schorfkruste sich löst und weggeschwemmt wird. Ich hole tief Luft, schließe die Augen und lasse es geschehen.
Ich reite über ein flaches Feld. Dass ich nicht reiten kann, Angst vor Pferden habe, darf ich nicht verraten, sonst falle ich. Das Pferd ist schwarz, obwohl ich mir ein weißes wünschte. Auf dem Feld liegt Schnee, der zu Sand wird, als ich absteige, um das Schiff zu erreichen. Das Schiff hat abgelegt, eine Frau steht am Heck und winkt mit einem Taschentuch. Sie ist jung, ich habe sie auf einer Fotografie gesehen, im Hochzeitskleid steht sie vor einer Kirche. Schwarzer Rauch senkt sich aus dem Schornstein auf sie herab, das Kielwasser ist eine Schleppe, ich winke. Das Pferd ist weiß und liegt im Sand, der zu Schnee wird, es stirbt, es hat mich lange getragen. Ich drehe mich um, und das Schiff ist verschwunden. Wo der Himmel auf das Meer drückt, fließt graue Asche empor, dann ist nichts mehr da, kein Meer und kein Himmel, nur noch Schnee, darin die Form des liegenden Pferdes, ein Abdruck seines Todes, der sich langsam füllt mit fallenden Flocken, Asche, Sternen. Über meinem Kopf fliegt ein Pferd, es hat Flügel und ruft meinen Namen.
Mein Gefühl sagt mir, dass es mitten in der Nacht ist. Ich muss stundenlang geschlafen haben, nachdem ich die leere Wanne durch die Tür verlassen hatte wie einen albernen Sportwagen oder eine Kutsche und zurück in meine Kammer geführt worden war. Jetzt liege ich in einem mit frischen Laken bezogenen Bett, nackt und verschrumpelt und nach
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