Nach Santiago - wohin sonst
zu geben. Und der Ritterorden der Templer sei der einzige gewesen, der sich auf dieses keltische Erbe berief. Es stimmt, daß die Templer zu Beginn des 14. Jahrhunderts wegen ihrer Kontakte zu den Sufis des Islam, den Kabbalisten des Judentums und den keltischen Druiden der Ketzerei angeklagt und verfolgt wurden. Wer nicht widerrief — und das waren die meisten unter ihnen, vor allem ihre Großmeister — , endete auf dem Scheiterhaufen, der Orden wurde aufgelöst und das beträchtliche Vermögen der Templer auf andere Ritterorden, hauptsächlich die Johanniter, aufgeteilt.
Nun, Tomás droht nicht der Tod auf dem Scheiterhaufen, aber Feinde hat er sich in konservativen katholischen Kreisen, den eifrigen Verfechtern der rein katholischen Wurzeln der Jakobspilgerfahrt, mit seinem Templer- und Keltenrefugio schon gemacht. Sie haben erreicht, daß dem „Licht am Weg“ immerhin der Strom abgedreht wurde. Aber Tomás ist stur und gibt nicht auf. Auch ohne Strom ist sein Refugio bekannt und beliebt, vor allem junge Pilger bleiben gerne etwas länger bei ihm, helfen ihm bei der Arbeit und finden manchmal auch zu sich selbst. Tomás ist extrem gastfreundlich und großzügig, mit den oft damit einhergehenden Tendenzen zum Autoritarismus.
Er begrüßt jeden Pilger, sobald er seiner ansichtig wird, mit Glockengebimmel und bewirtet ihn anschließend mit Spaghetti und Rotwein... und schon ist man mittendrin in einem hitzigen Gespräch über die Kelten, die Templer und die Geschichte des Jakobsweges. Es ist eine helle Freude, mit Tomás zu diskutieren — was ich bis in den späten Abend hinein auch tue.
Man mag von seinen Ideen halten, was man will, aber alleine die Tatsache, daß es in dieser einsamen und unwirtlichen Gegend — im März hatte er noch 50 Zentimeter Neuschnee! — dieses „Licht auf dem Weg“ gibt, sollte seine Kritiker milder stimmen. Man darf nicht vergessen, daß der Großteil der Menschen, die heute am Jakobsweg unterwegs sind, ohne besondere Geh- und vor allem Bergerfahrung aufbrechen. Für sie wäre die Etappe von Rabanal nach Molinaseca (25 Kilometer), vor allem bei Schnee oder Nebel, ohne das Refugio in Manjarín lang, schwierig und auch gefährlich.
Es ist spät, als Tomás und ich die Kerzen ausblasen und in unsere Schlafsäcke kriechen. Die frische Gebirgsluft, die gesunde Müdigkeit nach „nur“ 31 Bergkilometern und der spanische Rotwein bewirken, daß ich innerhalb kürzester Zeit wie ein Murmeltier — wie sonst am Berg? — schlafe. Nur ein Gedanke schafft es noch, bis in mein Bewußtsein vorzudringen: Das war seit längerem der schönste Tag, ein Tag, an dem der Weg wichtiger war als das Ziel — das Gehen in Gebirge hätte Ajiz sicher gefallen...
Dienstag, 18. April Manjarín — Villafranca
El Jato
Nach einer Pilgerwäsche im eiskalten Bach — ich bin der einzige von den Bewohnern des Refugios, der sich diesem Zivilisationsbeweis unterzieht — und einem etwas wärmeren Kaffee mit Tomás stürze ich mich kopfüber und mit einer unbändigen Freude am Gehen in den kühlen, kristallklaren Frühlingsmorgen. Unter meinen Füßen der Bergpfad, der vor mir schon Millionen von Pilgern nach Westen geführt hat, und am Wegrand die Dörfer, die mit dem Jakobsweg entstanden sind und früher alle mindestens ein Hospiz beherbergten. Welche Massen von kranken und geschwächten Pilgern müssen da unterwegs gewesen sein! Heute sind die Orte fast ausgestorben, und nur in Molinaseca gibt es wieder ein Refugio.
Am späten Vormittag habe ich — zu meinem großen Bedauern! — die Montes de León schon hinter mir, und es beginnen die Mühen der Ebene. Also wieder einmal Asphalt, Autos und die Sonne, die immer mehr an Kraft gewinnt. Ponferrada, die letzte größere Stadt vor Santiago, will auch noch „bezwungen“ werden. Heute noch wird das Stadtbild von der riesigen Templerburg geprägt, die zur Blütezeit des Ritterordens im 13. Jahrhundert dessen größte Befestigung außerhalb von Paris war. Für Templerfreaks und andere Esoteriker ist Ponferrada eine sehr wichtige Etappe, ich schaue nur, daß ich so rasch wie möglich die Stadt und die acht Kilometer der hochfrequentierten Ausfallstraße hinter mich bringe. Die gute Laune des Vormittags in den Bergen verfliegt genauso schnell, wie die frische Bergluft dem stickigen Smog der Stadt weichen muß. Nur der Wille, das Ziel zu erreichen, läßt mich weiterstapfen, der Weg wird zur häßlichen, heißen und stinkenden Pflicht. Ich glaube, so nahe wie
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