Nach zwei Tagen Regen folgt Montag
Folge der Bodenspaltung. In den vergangenen Jahren bemerkten die Forscher an mehr als 20 Stellen im Afar-Dreieck im Nordosten Afrikas unterirdische Vulkanausbrüche nahe der Erdoberfläche. Magma habe bis zu acht Meter breite Klüfte in den Boden gebrochen, berichtet Derek Keir von der Universität Leeds. Das meiste Magma blieb zwar im Untergrund stecken, im Erta Ale beispielsweise gelangte es aber an die Oberfläche. Auch die Art des Magmas lässt die Wissenschaftler staunen: Es ist von jener Sorte, die sonst nur in der Tiefsee an Mittelozeanischen Rücken vorkommt. Charakteristisch ist sein relativ geringer Anteil an Kieselsäure.
Die ganze Region ähnelt immer mehr einem Meeresboden, auf dem nur das Wasser fehlt. Von 2005 bis Ende 2010 sind dreieinhalb Kubikkilometer Magma aufgequollen, berichtet Tim Wright. Damit ließe sich ganz London menschenhoch mit Magma bedecken. In geologischem Eiltempo dringt das Magma vor: Mit bis zu 30 Metern pro Minute bahnt es sich seinen Weg durch das Gestein. Radarmessungen von Satelliten bezeugen die Folgen: Auf einer Strecke von 200 Kilometern wellt sich über dem Magma der Boden wie heißer Asphalt im Sommer. Satellitendaten zeigen, dass die Region derzeit weiträumig aufreißt. Selbst im Osten Ägyptens hat sich der Boden durch unterirdische Magma-Ströme stark aufgeheizt. Den Wüstenboden der Karonga-Region in Malawi hat ein Magma-Ausbruch gar auf 17 Kilometer Länge aufgeschlitzt. Im Juni 2011 erwachte dort nach vielen Tausend Jahren der Vulkan Nabro und spuckte eine 15 Kilometer hohe Aschewolke aus. Die Eruption kam so überraschend, dass selbst Experten der internationalen Flugsicherung zunächst einen anderen Vulkan für den Ausbruch verantwortlich machten.
Die heftigste Magma-Aufwallung der letzten Jahre ereignete sich an unerwarteter Stelle: Im Mai 2009 brach in Saudi-Arabien ein unterirdischer Vulkan aus. Nach einem heftigen Beben der Stärke 5,7 und Zehntausenden leichten Erschütterungen mussten 30.000 Anwohner in Sicherheit gebracht werden. In einem Gebiet, das so groß ist wie Berlin und Hamburg zusammen, quoll Magma aus der Tiefe. Die Eruption ereignete sich 200 Kilometer entfernt von der nordafrikanischen Bruchzone – »das hat uns sehr erstaunt«, sagt Cynthia Ebinger.
Die größte Baustelle des Planeten wird immer größer. Doch selbst die gigantischen Feuerberge werden dereinst im Meer versinken. Nach Berechnungen von Geophysikern wird der ostafrikanische Graben in zehn Millionen Jahren auf die Ausmaße des Roten Meers angewachsen sein – und Afrika wird sein Horn verloren haben.
Der tektonische Druck der brechenden Erdkruste in Ostafrika lässt den Boden bis in den Nahen Osten aufreißen, dort klafft eine Erdspalte vom Libanon bis zum Roten Meer. Sie hat das Schicksal der Menschheit mehrfach entscheidend gewendet – vom Aufbruch des Homo sapiens aus Afrika bis zur Entstehung der modernen Zivilisation.
30 Die Schicksalslinie der Menschheit
Vom Libanon bis zum Roten Meer klafft ein mehr als 1000 Kilometer langer Riss. Die kaum von Vegetation verhüllte Narbe in der Erdkruste zieht sich wie ein Strich von Nord nach Süd entlang der Grenze zwischen Israel und Jordanien. Wo sich die Schlucht weitet, sind Seen entstanden; das Tote Meer ist der größte, es bildet die tiefste Senke der Erde. Niemand, so scheint es, bräuchte sich um die sogenannte Totes-Meer-Verwerfung (Dead Sea Fault) zu scheren, führt sie doch abseits der meisten Siedlungen durch die Wüste. Doch solche Gleichgültigkeit führt in die Irre. Nach Meinung von Geologen ist der Riss eine Schicksalslinie der Menschheit. Die Verwerfung hat den Aufbruch der Menschheit aus Afrika ebenso ermöglicht wie die Entstehung der modernen Zivilisation. Sie bildet wahrscheinlich auch den realen Hintergrund vieler biblischer Ereignisse.
Die Geschichte der Schicksalslinie begann vor 30 Millionen Jahren, als unter Nordostafrika Magma aufströmte. Wie von einem Schweißbrenner zerschnitten, schmolz die Erdkruste auf und spaltete die Arabische Halbinsel von Afrika ab. Zwischen beiden Erdplatten senkte sich der Boden, in den Graben schwappte das Rote Meer. Die tektonischen Kräfte drücken Arabien nach Norden. Doch die Reise der Erdplatte erfolgt nicht reibungslos: Im Westen der Arabischen Halbinsel hakt die Bewegung. Wie bei einem Papier, das auf seiner linken Hälfte festgehalten und rechts geschoben wird, reißt die Platte auf – das obere Ende des Risses bildet die Totes-Meer-Verwerfung.
Vor rund zwei
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