Nach zwei Tagen Regen folgt Montag
November 2010 aus der Wüste Äthiopiens berichtete. Unerhörtes spiele sich ab, berichtete der Angestellte einer Rohstofffirma: Der berühmte Vulkan Erta Ale breche aus. Ebinger staunte, sie erforschte den Vulkan seit Langem. Stets hatte im Krater des Erta Ale eine silbrig schwarze Lava-Suppe geblubbert – doch ausgebrochen war der Vulkan seit Jahrzehnten nicht. Umgehend flog Ebinger zusammen mit Kollegen in die Wüste Äthiopiens. Und tatsächlich: »Der Vulkan brodelte, er lief über; flammenrote Lava-Fontänen schossen in den Himmel«, erzählte die Wissenschaftlerin.
In Nordostafrika ist nichts mehr, wie es war. Die Erde ist im Umbruch. Der Wüstenboden bebt und bricht, Vulkane brodeln; das Meer dringt vor – es bildet sich ein neuer Ozean. Afrika beginnt, entzweizubrechen. Ein erster Riss ist in den vergangenen Jahrmillionen entstanden, ihn füllen das Rote Meer und der Golf von Aden. Nun öffnet sich die Erde von Äthiopien bis in den Süden nach Mosambik. An manchen Stellen zwischen den bis zu drei Kilometer hohen Grabenflanken ist die Erdkruste bereits vollständig aufgerissen, dort ist der Weg frei für Magma aus dem Untergrund: Vom Roten Meer bis in den Süden nach Mosambik staffeln sich Dutzende Vulkane, darunter der Kilimandscharo und der Nyiragongo. In einigen Millionen Jahren wird ein Ozean die Kluft füllen. Im Norden in der Danakil-Senke könnte der Vorstoß des Meeres sogar schon relativ bald passieren: Dort blockieren lediglich 25 Meter flache Hügel die Fluten des Roten Meeres. Das Land dahinter hat sich bereits Dutzende Meter abgesenkt. Weiße Salzkrusten auf dem Sandboden zeugen von einstigen Vorstößen des Ozeans. Doch Lava hatte dem Meer bald wieder den Zugang versperrt.
Wann flutet das Meer endgültig die Wüste? Das weiß niemand – doch klar scheint, dass die Überschwemmungen schnell gehen würden: »Binnen Tagen könnten die Hügel einsinken«, erläutert Tim Wright von der Universität Leeds in Großbritannien. Dann würde das Meer die Danakil-Senke fluten. Seit 2005 habe sich die Ozeanentstehung in Nordostafrika »unglaublich beschleunigt«. Alles gehe viel schneller als erwartet. Bislang maßen Forscher in Nordostafrika ein paar Millimeter Dehnung des Bodens pro Jahr. »Doch nun öffnet sich die Erde meterweise«, berichtet Lorraine Field von der Universität Bristol. Bebend entstehen tiefe Schluchten im Wüstenboden.
2005 wurden Geologen beinahe von einem Riss verschlungen: Dereje Ayalew und seine Kollegen von der Addis Ababa Universität erschraken, als sie aus ihrem Helikopter in der Wüste in Zentraläthiopien stiegen – denn der Sandboden bebte. Der Pilot rief den Wissenschaftlern zu, sie sollten schleunigst zurückkommen – da passierte es: Die Erde öffnete sich. Wie aufreißende Gletscherspalten rasten die Brüche auf die Forscher zu. Nach einigen Sekunden beruhigte sich der Boden.
Ayalew und seinen Kollegen wurde klar, dass ihr Erlebnis von historischer Dimension ist: Erstmals hatten Menschen dokumentiert, wie ein neuer Ozean geboren wird. Normalerweise wandelt sich die Umwelt unmerklich. Ein Menschenleben ist zu kurz, um wahrzunehmen, dass sich Flussläufe verändern, Gebirge aufsteigen oder Schluchten entstehen. Doch in der Afar-Senke in Nordostafrika öffneten sich in den letzten Jahren Hunderte Spalten im Wüstenboden, die Erde ist um bis zu 100 Meter abgesunken.
Der Boden Ostafrikas ist zersprungen wie eine kaputte Glasscheibe. Auch vor der Küste Dschibutis im Golf von Tadjourah registrierten Forscher ein Trommelfeuer von Erdstößen. Die Beben ereigneten sich am Mittelozeanischen Rücken. An solchen untermeerischen Gebirgen entsteht stetig neue Erdkruste: Lava quillt aus Spalten und härtet zu frischem Meeresgrund. Das aufströmende Magma drückt beidseitig den Meeresboden auseinander, wobei sich die Erdplatten in Bewegung setzen; dabei ruckelt der Boden. Die Beben im Golf von Tadjourah sind in den vergangenen Monaten der Küste immer näher gekommen. Die Meeresbodenspaltung springe allmählich aufs Land über, erläutert Ebinger. Entlang mancher Erdrisse in der äthiopischen Wüste ist es schon passiert. Dort ereignete sich das sonst in der Tiefsee ablaufende Spektakel an der Erdoberfläche – eine geologische Sensation.
Auch die geringe Tiefe der Erdbeben beweist die Verwandlung der Wüstenlandschaft zu Tiefseeboden: Wie sonst nur an Tiefseegebirgen, den Mittelozeanischen Rücken, registrieren die Forscher in Nordostafrika viele flache Erdbeben – eine
Weitere Kostenlose Bücher