Nachdenken ueber Christa T.
über Ihre Altersgenossen hinausragen. Das wird später offenkundig sein, wenn Sie doch das Zutrauen zu sich selbst fassen könnten: zielbewußt sein, sich aber hüten,die Kräfte zu überanstrengen, die Extreme meiden: ein kleines bißchen Lebenskunst, mein liebes Fräulein, auch Ihnen würde sie not tun ...
Jetzt erst, seh ich, streicht sie die Segel, ich auch. Wenn er, trotz allem, ein Menschensucher wäre, wenn er, in diesen Wochen nur er, ein Wort gefunden hätte, das sie besänftigt, Milderung bringt ...
In puncto Liebe zur Zeit – vermute ich recht, Sie wollen auch darüber etwas wissen?
Da nickt sie nicht, schüttelt nicht den Kopf, wird rot in dem deutlichen Licht, dem er sie ausgesetzt hat, macht auch eine Bewegung, die Hand wegzuziehen, und der General, der von all dem nichts gemerkt haben will, läßt sich die Hand entgleiten.
Sie lieben gern, sagt ihr General, oder wer ist es, der dies sagt? Sie lieben zärtlich und innig, aber Ihre Liebe ähnelt der Freundschaft: Daher haben Sie gute Freunde, sind kameradschaftlich, mitfühlend. Bis diese Unzufriedenheit Sie überkommt, Sie wissen wohl, wovon ich rede. Da werden Sie launisch, können selbst Nahestehende zurückstoßen, selbst Liebende, Sie wissen, warum. Das sind die schlimmen Zeiten großer Kälte, die der großen Verliebtheit folgen ...
Wer hat da zu ihr gesprochen? Weiß sie nun, wozu sie hergegangen ist? Aber wie soll er das in Erfahrung gebracht haben?
Nein, auf der Höhe hält er sich nicht, unser General, sowie er ins Konkrete abgetrieben wird, sich zu Weissagungen aufschwingt, was, wie ihm wohl bewußt sein mag, seines Amtes ist. Ein Mann scheine dazusein, der sich Mühe gebe, sie zur Heirat zu bewegen. Diese Ehe, rät unser General, solle sie lieber lassen, sie bringe mitSicherheit Kummer: Eifersucht, den Abbruch beruflicher Entwicklungen ...
Dann ist es Zeit, wiederum nach ihrer Hand zu greifen. Was aber sehen wir denn nun beruflich für Sie voraus? Er stellt diese Frage, unser General, gedankenvoll liest er noch einmal in ihrer Hand. Eine Tätigkeit in einer großen Institution? Das könnte wohl sein. Etwas wie ein Verlag, deucht mir ... Hemmnisse am Anfang, nun Sie wissen: Das bleibt nicht aus. Aber dann überzeugendes Sichdurchsetzen. Und mehr. Wenn mir recht ist, mein Fräulein: Sie werden bekannt werden. Ich scheue das Wort nicht: berühmt. Wie ich sehe, zielt doch alles auf etwas Schöpferisches hin. Ein Werk? Musik vielleicht? Doch wohl nicht. Literarisch eher. Nun, hier endet meine Kompetenz. Warum aber den Wunsch, auch manchmal Dame zu sein, unterdrücken? Finanziell dürfte nichts im Wege stehen.
Wie sieht sie sich da auf einmal? Ein langes Kleid, Blumen, Verehrer? Wie wird mir denn? Soll er weitersprechen? Sprechen Sie, General, da Sie im Zuge sind.
Ein Doktor vermutlich, sagt ihr General, der zukünftige Gatte. Ein Professor gar? In sechs, sieben Jahren wäre das glücklichste Heiratsalter. Liebe wird die Grundlage dieser Ehe sein – nun, das versteht sich von selbst. Und der Herr Gemahl sieben, acht Jahre älter. Zwei Kinder sehe ich, gutartig. Keine großen Zwischenfälle.
Weiter, General, nur zu.
Durch eine Freundin lernt man sich wohl kennen. In der Oper? In einem Verlag? Sie begreifen: Genauere Festlegungen sind da nicht möglich. So viel aber doch: eine Wohnung außerhalb der Stadt, eine Villa womöglich, die sogar in einem Park liegen kann. In einer schönen,geraden Linie verläuft das Leben, hält Ihnen die Möglichkeiten offen, Ihre reichen Charakteranlagen auszuschöpfen, die seltene Mischung von romantisch-poetischer und pädagogisch-praktischer Begabung ...
Nur zu, General, vergessen Sie nichts, uns dürstet nach der Ausschmückung! Werden wir ein Auto besitzen? Welche Marke? Oder ziehen wir ein Himmelbett vor? Vielleicht hätte sie sich nicht anmerken lassen sollen, daß er sie schon wieder verlor. Denn nun nimmt er zum letzten Mal die Hand. Übrigens das Letzte noch, das Lebensende betreffend.
Da hat sie, nach allem, das Heft schon zugeklappt, es dann doch noch einmal hervorgeholt: hat schließlich auch das noch niedergeschrieben, und nun sieht es aus, als ob all die Seiten nur für diesen Satz gemacht sind. Die Ehe , schreibt sie, hat der General gesagt, wird durch den Tod getrennt. Den der Frau oder den des Mannes. Aber die Kinder wären dann wohl schon aus der Schulzeit heraus .
Sie überliest alles noch einmal, auch den letzten Satz. Dann setzt sie, in eine Klammer, an den Schluß zwei Worte und
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