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Nachdenken ueber Christa T.

Nachdenken ueber Christa T.

Titel: Nachdenken ueber Christa T. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa Wolf
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ärgerlich. Wieso denn? Willst du etwa ...?
    Von Wollen konnte ja gar keine Rede sein. Bloß daß man in diesen Wochen – nun ja, wie drückt man es aus? – schwach war, ein bißchen anfällig für Überirdisches. Rückfall, registriert sie bei sich. Rückfall – na und?
    Da hörte sie – denn man hört ja, worauf man aus ist –, daß ein Trüppchen sich sammelt. Wallfahrertrupp, sagt sie zu Frau Kröger, die versteht aber nicht: Der plötzliche Tod einer Frau, der der »Generool« aus Niegendorf ein Unglück geweissagt hat, hat sein Ansehen sehr gehoben. Nun ist es an der Zeit, daß sich zu ihm auf den Weg macht, was mühselig und beladen ist.
    Noch Platz? fragt Christa T. da wohl beiläufig. Dann käm ich mit. So was muß man auch mal gesehen haben. Das wäre die Ausrede für sich selbst.
    Ein Kastenwagen in aller Herrgottsfrühe. Vater Fuchs, der ein unheilbares Leiden hat. Die Krögern eben, die ja vielleicht doch noch etwas über ihren vermißten Mann zu hören kriegt. Das magere Fräulein Feensen, überfällig seit einigem, der kann nur noch der Hexer einen Bräutigam zaubern. Noch ein paar Leute dieser Art. Ein bißchen wundern sie sich ja, nicht zuviel. Was führte die Lehrerin zum Generool? Ein Leiden dochwohl nicht, das dürfte man wissen. Vertrackte Liebe? Oder die Krankheit des Vaters? Der wird ja weniger von Tag zu Tag, und sie soll an ihm hängen. Frau Kröger seufzt. Nicht jeder Christenmensch trägt sein Kreuz für jedermann sichtbar.
    Die Kreisstadt. Wer noch aussteigen will, hier wär Zeit. Zu mir gesprochen, ich kenn doch Vater Fuchs. Scheint ihm nicht unlieb zu sein, daß ich mich taub stell. Sieht aus, die wolln mich alle ganz gern dabeihaben. Schiet wat. Ick glöw ja doar nich an, so die Kröger. Ick ook nich. Basta.
    Dann kommen die unbekannten Dörfer, Gören, Koserow. Und auch die Stelle, wo die Gasmaske im Wald liegt, verrottet, wir sprachen schon davon, damals lag dieser Augenblick weit voraus, jetzt ist er doch herangerückt. Sie denkt, nein: sieht, als zerreiße ein Vorhang vor einem lange gemiedenen Bild, nur diesmal von einem Standort außerhalb des Vorgangs, ihr Munitionsauto im Schneesturm stehen, sich selbst darin sitzen und zwei Meter weiter einen kleinen Hügel, das Bündel darunter, ein bißchen Fleisch und Knochen und etwas Stoff, das schneit allmählich zu.
    Sie kneifen doch nicht, Fräulein? Die Kröger, sie spricht immer alles deutlich aus. Aber wer wird denn ... Übrigens, heißt es ja, soll er die Wahrheit sagen.

9
    Wat de Generool seggt hett.
    Und wenn sie ihn einfach erfunden hätte? Denn wenn es ihn nicht gab, hätte sie ihn erfunden, weil sie ihnbrauchte. Aber den Mut zum Erfinden hatte sie nicht, darüber wird noch zu reden sein. Also gab es ihn, tritt er wirklich auf, wird allerdings zur Vorsicht gleich wieder versteckt und zurückgenommen hinter die ironische Überschrift. Wat de Generool seggt hett.
    Wenn Sie näher treten wollen, mein Fräulein.
    Was da eintrat, war nicht die bloße Neugier, die bloße Wundergläubigkeit, die bloße Bereitschaft, vor den Über-Gaben eines anderen in die Knie zu gehen – der Mann, ein Österreicher, Generaloberst a. D., assistiert von einer jungen, ängstlichen Frau im Dirndlkleid –, der Mann wittert es gleich.
    Er bietet ihr Platz an, mit dem Gesicht zum Licht, so machen sie es. Er selbst, gegen das Fenster, bleibt ein Schattenriß, so fangen alle Kunststückchen, alle Beichten und alle Verhöre an.
    Wie war gleich der Name? Studentin, wenn ich nicht irre? Sehen Sie. Übrigens tut es nichts zur Sache. Und nicht bei den Studien, um diese Jahreszeit? Oder sollten die Semesterferien jetzt früher anfangen, wie angeblich alles? – Er lacht. – Nun ja. Jeder Mensch braucht einmal außer der Reihe Erholung.
    Sie hat das Zimmer noch nicht zu Ende angesehen, nicht die Wandsprüche durchbuchstabiert, die alle von der Nichtigkeit der menschlichen Kräfte handeln, die Zinnkrüge auf dem Wandbrett nicht gemustert, da weiß er schon, was er wissen muß.
    Daß sie ihm auch ihre Hand noch überlassen soll, findet sie abgeschmackt, vielleicht geht sie lieber? Der General hat es schon gespürt, die Regung hat sich bis in die Hand fortgesetzt. Sehen Sie, sagt er, Weiteres wird nicht nötig sein. Geht so weit, die Requisiten seiner Kunstverächtlich zu machen: kein Kaffeesatz, keine Karten ... Aber er benutzt sonst sowohl Kaffeesatz als auch Karten, sie weiß es, und er, ihren Blick suchend, macht eine kleine Bewegung mit den Schultern: Die

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