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Nachhaltig tot (German Edition)

Nachhaltig tot (German Edition)

Titel: Nachhaltig tot (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Brabänder , Karin Mayer
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bringen.“
    „Und da stand Wenninge im Weg. Ein Leben für das Wohl der vielen“, sagte der Kommissar.
    Hubert schnaufte.
    „Ja klar, es gibt ständig Projekte, die für den Ort gut wären, und ständig gibt es Sturköpfe, die dem im Wege stehen. Wenn ich die alle umbringen würde, dann gäbe es bald keine Wähler mehr.“
    Das beeindruckte den Kommissar eher nicht.
    „Wo kann ich Hilbert Hubert erreichen?“
    Wie immer, wenn er den Namen seines Sohnes vollständig hörte, ärgerte sich Hubert, dass er diese unsägliche Kombination aus Vor- und Nachnahme gewählt hatte. Sein Großvater hatte Hilbert geheißen. Allerdings war er der Vater seiner Mutter, der damals schwer krank war, und dem er vor seinem sicheren Tod ein Geschenk machen und den ersten Urenkel nach ihm nennen wollte. Der alte Mann hieß Hilbert Lehmann, was mit Sicherheit besser klang als Hilbert Hubert. Inge hatte ihn gewarnt, ihn aber gewähren lassen, weil es ihr wichtig war, dass er Hilbert fraglos als seinen Sohn akzeptierte. Und ihm versprochen, dass Wenninge nie erfahren würde, dass er als Vater in Frage kam. Vielleicht sollte man endlich einen Vaterschaftstest machen. Doch Hubert hatte Angst vor dem Ergebnis. Hilbert war ihm manchmal fremd. Allerdings konnte er auch Inge oft nicht verstehen und Ähnlichkeit mit Wenninge hatte Hilbert nicht.
    Zur Beerdigung am nächsten Tag kamen sie alle. Die aus dem Dorf, aber auch Bert und Achim. Der Pfarrer sprach, die Gemeinde sang, die alten Frauen zückten die Taschentücher, die alten Herren hielten den Hut in der Hand. Als Bürgermeister sagte Hubert ein paar Worte, normalerweise fiel ihm das nicht schwer, heute spürte er eine Anspannung, die er nicht kannte. Lag das am Projekt? An der Polizei, die sich vermeintlich unauffällig im Hintergrund hielt? Worauf warteten die? Dass der reuige Mörder sich zu erkennen gab? Hubert schüttelte den Kopf. Dann versuchte er sich auf den zerknitterten Zettel zu konzentrieren, den er in der Hand hielt. Nur Stichworte, das reichte.
    Er sprach kurz. Erwähnte die Schulzeit, Kindheit, man kannte sich. Die Gleichaltrigen dachten daran, dass ihr eigenes Ende mit jedem Tag näher rückte. Auf diesem Friedhof würde man sich später ähnlich nahe zusammenfinden wie damals in der Schule. Die älteren, die schon erwachsen waren, als Wenninge ein Kind war, dachten betrübt darüber nach, dass er so jung sterben musste, und waren insgeheim stolz auf sich selbst, dass sie noch am Leben waren. Als wäre es ein besonderes Verdienst. Vielleicht war es das. Nur, dass Wenninge als Mordopfer kaum mit einem ungesunden Lebensstil für sein frühes Ende gesorgt hatte. Wobei unkooperatives Verhalten durchaus ein ungesunder Lebensstil sein konnte. Huberts Blick schweifte wieder zu den Polizisten. Was vermuteten sie? Was wussten sie? Er war der Bürgermeister – mussten sie ihm nicht Auskunft geben?
    Das war Unsinn, er wusste es. Ein Bürgermeister hatte keinen Einblick in Polizeiakten. Schade. Er sollte mit Höhmann sprechen.
    Die Rede war zu Ende, der Sarg wurde in die Grube gelassen. Die nahen Angehörigen gingen zum Grab und warfen Blumen und Erde hinein. Viele gab es nicht. Lise mit ihrem Mann und ihren Kindern und Achim, der aus der Stadt gekommen war, und den man an seiner Kleidung als fremd erkennen konnte. Früher waren die alten Bauern so herumgelaufen. Kordhosen und Strickjacken. Bei einer Beerdigung kamen sie natürlich im dunklen Anzug. Nun gut, Hauptsache, er war da. Hubert ging nach der Familie zum Grab, hätte beinahe seinen Zettel hineingeworfen und konnte im letzten Augenblick umdisponieren und das kleine Sträußchen auf den Sarg werfen, das er in der anderen Hand hielt.
    Dann kondolierte er. Erst Lise, die aufschluchzte und eine Bewegung machte, die Hubert befürchten ließ, dass sie sich ihm gleich an den Hals werfen würde. Sie riss sich zusammen, Hubert gab ihrem Mann die Hand und blickte ihm in die blutunterlaufenen Augen. Danach stand er Achim gegenüber. Früher hatten sie sich gut verstanden, Achim war der Jüngste der Geschwister, ein Jahr jünger als Hubert. Aber das war früher. Hubert hielt ihm die Hand hin, die Achim ergriff und so fest drückte, dass Hubert zusammenzuckte.
    Danach kondolierten etwa dreihundert andere Menschen. Dafür, dass Wenninge ein Eigenbrötler und wenig beliebt im Ort war, war das eine Menge Menschen. Auf dem Dorf ging man zu vielen Beerdigungen, der Menschenauflauf an diesem Tag war sicher auch dem gewaltsamen Ende geschuldet,

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