Nachhaltig tot (German Edition)
er habe vor vielen Jahren mehr mit Inge zu tun gehabt … Die Testamentskopie in der Hand machte sich Hubert auf den Nachhauseweg.
Inge stand in der Küche und kochte. Dampfnudeln. Die Haare kringelten sich in der feuchten Luft und sie sah beinahe so gut aus wie vor dreißig Jahren. Damals war sie Wenninges Freundin gewesen, das stimmte. Da gab es alte Verbindungen, an die sich manch einer erinnern würde, wenn Wenninges Testament bekannt wurde. Hubert hatte das längst verdrängt und wenn er in der letzten Zeit oft über Wenninge geschimpft hatte, hatte er nie nur mit einer Gehirnzelle daran gedacht, dass Inge seine Freundin gewesen war. Bert, also Hilbert, war sein Junge, da gab es mit Inge eine klare Abmachung.
„Hallo“, sagte Inge. „Hast du einen guten Hunger mitgebracht?“
Sie strahlte ihn an. Hubert war nicht zum Strahlen.
„Ist was?“, fragte Inge. „Ärger wegen dieses Projekts?“
Hubert stellte die Aktentasche auf den Tisch. Sollte er das Testament rausholen? Oder sich erst die Dampfnudeln schmecken lassen? Die würden ausgezeichnet sein, aber ob sie ihm heute schmecken konnten, wusste er nicht.
Erst mal ging er Hände waschen. Aufschub. Im Spiegel sah ihm ein blasser, eingefallener Hubert entgegen. Da brauchte man ihn nicht so genau zu kennen, um zu sehen, dass es ihm nicht gut ging. Dass ihm eine Laus über die Leber gelaufen, etwas auf den Magen geschlagen war. Er legte die Hand auf den Bauch. Hatte es ihm auf den Magen geschlagen? Der Bauch knurrte. Er hatte Hunger. Also doch erst essen.
Als er zurückkam, standen die Dampfnudeln auf dem Tisch. Im kleinen Glastopf köchelte die Vanillesoße, Inge griff gerade nach dem großen Topflappen, um die Soße zum Tisch zu bringen.
Hubert setzte sich, dann konnte er es nicht ertragen und öffnete die Tasche.
„Ich habe heute die Kopie von Wenninges Testament bekommen“, sagte er.
„Ein Testament? Warum hat Markus denn ein Testament gemacht? Geht das nicht an Lise und Achim?“
„Ne“, sagte Hubert. „Er hat sich gut informiert, Lise und Achim bekommen nichts. Für Geschwister gibt es keinen Pflichtteil.“
Inge stellte den dampfenden Topf auf den Tisch. Vanilleduft stieg Hubert in die Nase. Er nahm sich mit der einen Hand eine Dampfnudel, mit der anderen fuchtelte er mit dem Testament vor Inges Nase herum.
„Ja seltsam“, sagte Inge versonnen, setzte sich und griff nach der Schüssel mit den Dampfnudeln.
„Das ist nicht das Interessante“, sagte Hubert ungeduldig.
„Nicht?“, fragte Inge.
„Bert erbt“, sagte Hubert, nein er schrie es. „Unser Bert, also der Hilbert, erbt alles.“
Es schepperte, als die Schüssel mitsamt ihres prachtvollen, dampfenden Inhalts auf den Boden fiel.
Bert war die Erbschaft willkommen, warum er sie bekam, war ihm egal. Er war ein freundlicher junger Mann, Student in München und das Leben in München war teuer. Bald würde er fertig werden mit dem Jurastudium und das Erbe würde reichen, eine kleine Kanzlei zu eröffnen. Außerdem vertraute er seinem Vater und überließ ihm die Entscheidung, was mit seinem neuen Besitz geschehen solle. Einerseits war das erfreulich für Hubert, andererseits machte es ihn nervös, dass sein Sohn so desinteressiert wirkte. Vielleicht hatte Inge längst mit ihm gesprochen. Hubert traute sich nicht, sie zu fragen.
Damit hatte sich das Erbproblem erledigt. Lise und Achim hatten mit den Grundstücken nichts zu schaffen und Hubert konnte dem Treffen mit Doktor Maurer hoffnungsvoll entgegensehen. Er machte einen Termin für den übernächsten Tag.
Als er nach dem Mittagessen ins Rathaus kam, stand die Polizei in seinem Büro. Sie wollten wissen, ob er Freude daran habe, dass Wenninge tot sei. Wo doch jetzt alles so viel einfacher geworden war. Dass er nichts gewusst hatte von dem Testament, glaubte man ihm nicht. Dabei konnte Frau Maurer bezeugen, wie überrascht er von dem Gedanken an ein Testament gewesen war.
„Frau Maurer interessiert uns nicht“, wischte der Kommissar den Einwand vom Tisch. „Die hat selbst ein Interesse an Wenninges Tod.“
„Ja, dann gehen Sie doch und sprechen mit ihr“, sagte Hubert entnervt. „Oder glauben Sie, dass wir gemeinsame Sache machen, die Maurer und ich?“
„Bei diesem obskuren Projekt machen Sie auch gemeinsame Sache, nicht?“, fragte der Kommissar zurück.
„Das ist nicht obskur und gemeinsame Sache ist das auch nicht“, sagte Hubert. „Mir geht es darum, Geld und Arbeitsplätze in unseren Ort zu
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