Nachhaltig tot (German Edition)
Soll ich fü…“
„Es ist Ralf“, unterbrach sie ihn, „ich muss ran. Ja, hallo, Schatz.“
„Ja, ich bin’s noch mal. Du, mit Max habe ich alles geregelt. Ich weiß nicht, bist du jetzt schon am Einkaufen?“
„Nein, nicht unbedingt.“
„Brauchst du auch nicht mehr. Ich habe mir überlegt, wir holen heute ausnahmsweise mal was vom Türken unten an der Ecke. Ich hatte heute echt einen nervigen Tag und ich habe das Gefühl, bei dir lief’s auch nicht so toll?“
„Öh, ja, könnte man so sagen.“
„Ja dann, bis gleich.“
„Bis gleich.“ Anne legte das Handy zur Seite und schmunzelte. Ein erfolgreicher Tag im Leben der Anne Kremer ging zu Ende: Der Mörder war gefasst und das Abendessen gerettet.
Der Stromer
Klaus Brabänder
Der Prototyp eines furchtlosen Kämpfers bin ich sicherlich nicht, das gebe ich unumwunden zu, aber wenn ich von etwas überzeugt bin, wenn mir die Argumente detailliert und plausibel dargelegt werden, kann ich mich einer Sache mit Hingabe widmen und für das gesteckte Ziel Opfer bringen. Und weil ich das kann, tue ich es auch.
Meine Mutter hatte immer dafür gesorgt, dass es mir an Idealen nicht fehlte. Mit der Überzeugungskraft einer strengen Lehrerin, die sie im Berufsleben war, hat sie mir zeitlebens eingetrichtert, dass die Welt nur zu retten ist, wenn man sich konsequent dafür einsetzt. Mit ‚man‘ hatte sie vor allem sich und mich gemeint. Sonst war in unserer Familie keiner da – oder besser gesagt: Wir beide waren die Familie.
Mein Vater hatte sich kurz nach meiner Geburt von den Weltrettungsparolen meiner Mutter distanziert, so hat sie es mir geschildert. Er habe sich mit ihrer anthroposophischen Grundhaltung nicht länger identifizieren können.
Bis heute verstehe ich nicht, was das eine mit dem anderen zu tun hat, aber derart philosophische Konstrukte sind ohnehin nicht meine Stärke. Die Welt zu retten, ist eine Sache, die Menschen verstehen zu wollen, eine völlig andere. Ich bin eher ein Typ für die praktische Anwendung. Mit Theorien tue ich mich schwer, und für Analysen und Grundsatzprogramme sind andere besser geeignet. Soldat der grünen Welle oder so ähnlich hat mich meine Mutter genannt, als ich klein war. Das ist jetzt mehr als zwanzig Jahre her.
Hier drin ist es eindeutig zu warm; reine Energieverschwendung. Wie soll ich da einen klaren Gedanken fassen? Außerdem fehlt frische Luft, das behindert mich beim Nachdenken.
Meine Mutter kommt mir wieder in Erinnerung, wie sollte ich sie je vergessen? Sie und ihren unbändigen Willen, alles zu tun, um diesen Planeten ein Stück besser zu machen. Vor allem in ökologischer Hinsicht. Diesem Ziel hatte sich alles unterzuordnen. Und alle in ihrem erweiterten Umfeld. Raucher, Pelzträger und Autofahrer wurden konsequent geächtet. Einen Fernsehapparat gab es bei uns ebenso wenig wie eine Waschmaschine oder einen Geschirrspülautomaten. Und falls die Heizung überhaupt lief, dann um die Zimmertemperatur nicht unter sechzehn Grad fallen zu lassen, aber nur bis acht Uhr am Abend. Wer früh im Bett ist, verbraucht weniger Energie. Höchstens für eine Stunde Licht, damit ich ein auf umweltfreundliches Papier gedrucktes Buch über den Einsatz alternativer Energien oder die Rettung der Regenwälder lesen konnte. Dass wir selten oder genauer gesagt nie Besuch hatten, versteht sich von selbst.
Ich kann mich erinnern, dass wir anfangs ein paar Mal bei Kollegen meiner Mutter eingeladen waren, aber das endete immer in einem Fiasko. Die Gastgeber wollten Mutters fundiertes Fachwissen über Ökologie und Energieverschwendung einfach nicht anerkennen, was ich als sehr schade empfand. Mit der Zeit gewöhnten wir uns daran, alleine zu sein. Ich las Fachbücher, und Mutter spielte Klavier.
Das wäre sicherlich auf ewig so weitergegangen, wäre meine Mutter nicht erkrankt. Nach der Diagnose waren ihr nur sechs Monate geblieben, um alles zu regeln und ihren Frieden zu finden.
Um ihr einen letzten Gefallen zu tun, hatte ich kurz vor ihrem Tod drei Autos und ein Trafohäuschen angezündet. Sie sollte wissen, dass ich hinter ihrer Überzeugung stand und auch später bereit war, alles zu tun, um ihr Lebenswerk fortzusetzen. Sie hatte mich belehrt, dass das der falsche Weg sei, aber gefreut hatte sie sich trotzdem. Auf die Schliche war mir damals niemand gekommen, und meine Mutter hatte das Geheimnis mit in ihr Grab genommen.
Dass sie erst starb, als ich gerade achtzehn geworden war und meinen mittleren Schulabschluss
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