Nachhaltig tot (German Edition)
Wovon ich nach derzeitigem Stand der Dinge ausgehen muss. Nachdem er sehr wahrscheinlich seinen Mitarbeiter ermordet hat.
Der Abteilung ‚Speichersysteme‘ wurde dadurch der Antrieb genommen. Und mit der zu erwartenden Verhaftung fehlt nun auch der Kopf dieser Sektion.“
„Wir geraten dadurch tatsächlich in einen personellen Engpass“, bestätigte DiMateo. „Da muss ich Ihnen leider recht geben. Entschieden ist natürlich noch überhaupt nichts. Schließlich war bis heute Morgen um acht die Welt bei der Energeto noch in Ordnung.
Aber hoch qualifiziertes Personal fällt nicht vom Himmel. Auch wenn die Energeto natürlich zu den attraktiven Arbeitgebern gehört, die üblicherweise kein Problem damit haben, neue Kräfte zu rekrutieren.“
„Das kann ich mir gut vorstellen“, ging Jan auf die Ausführungen ein. „Als Tochterunternehmen der REA und der drei anderen Energieriesen gehören Sie sicherlich zu den begehrtesten Arbeitgebern bundesweit.“
„Oh. Ich sehe, Sie haben Ihre Hausaufgaben gemacht“, antwortete DiMateo. „Aber Sie haben natürlich recht. Die Mütter der Energeto schaffen eine gewisse Sicherheit.
Dennoch werden wir möglicherweise die heutigen Geschehnisse für eine Umstrukturierung und Neuausrichtung nutzen.“
Das heißt …?“, hakte Jan nach.
„Dass wir möglicherweise weder für Herrn Dr. Harpens noch für Herrn Dr. Rückert Nachfolger suchen werden, sondern uns aus dem Bereich Speichersysteme zurückziehen“, erläuterte DiMateo.
„Also wird die Abteilung geschlossen“, täuschte Jan Verblüffung vor. Die Kollegen hatten also richtig gelegen. „Aber den Speichersystemen gehört doch die Zukunft, wenn alle Welt umrüstet auf regenerative Energien.“
„Herr van Teldern“, entfuhr es DiMateo anerkennend, „Sie kennen sich aus. Und haben auch in diesem Punkt recht. Um die Regenerativen vernünftig nutzen zu können, benötigen wir Zwischenspeicher. Überhaupt keine Frage. Womit sich Dr. Harpens hier im Hause seit etlichen Jahren befasst hat.
Aber wir benötigen marktreife Technik mit einer hohen Speicherdichte. Und keine Versuchsanordnungen. Im Endeffekt sind wir als Anlagenbauer und -betreiber – auch wenn es jetzt komisch klingen mag – so etwas wie Endverbraucher.“
„Und nicht Forschungseinrichtung“, fuhr Jan fort.
„Oder Werkstoffwissenschaftler. Sie haben es mal wieder auf den Punkt gebracht“, bestätigte DiMateo und erhob sich von seinem Sessel, um die Fensterfront abzulaufen, die Arme hinter seinem Rücken verschränkt. Und erläuterte dabei, dass die Energeto sich zukünftig darauf beschränken würde, den Markt zu beobachten – natürlich mit deutlich mehr Wissen als das einer Hausbank oder der Presse, um dann geeignete Partner zu identifizieren und mit diesen zu kooperieren. Und nicht mehr – wie in der Vergangenheit – selbst zu den Akteuren im Bereich Forschung und Entwicklung gehören würde.
Jan lauschte den Ausführungen, kramte währenddessen in seiner Tasche und zog die Harpens‘schen Ausarbeitungen hervor, die er im Büro ausgedruckt hatte.
DiMateo, der gerade begann, Jan die Vorteile dieser neuen Konstellation ausführlich zu erläutern, unterbrach sein Auf und Ab vor dem Fenster und wandte sich Jan wieder zu.
„Und was soll das nun wieder?“, fragte er auch sofort.
„Sie scheinen das Papier ja zu kennen, Herr DiMateo“, antwortete Jan. „Dann können Sie ja auch das Potenzial der Ergebnisse abschätzen, die Dr. Harpens Ihnen anscheinend ja in der Vergangenheit schon präsentiert hatte.“
DiMateo antwortete nicht, sondern schaute Jan wortlos an. Selbst aus drei Metern Entfernung konnte er sehen, dass DiMateos Kaumuskeln viel zu tun hatten.
„Ich habe“, fuhr Jan ungerührt fort, „diese Ausführungen von einem Biochemiker prüfen lassen. Der bestätigt, dass Dr. Harpens auf diesen wenigen Seiten die theoretischen Grundlagen eines enzymatisch gesteuerten, chemischen Speichersystems beschreibt. Wie wir alle es in uns tragen. In jeder Zelle. Was Herr Dr. Harpens Ihnen aber sicherlich auch schon berichtet hat.
Das wäre für die Energeto nun tatsächlich noch nicht das Ergebnis, mit dem Sie etwas anfangen könnten, da Sie ja ‚marktfähige Produkte‘ benötigen, wie Sie vorhin so schön erläutert haben.
Nein. Herr Dr. Harpens ist trotz seiner knappen Zeit und trotz seiner kleinen amourösen Abenteuer deutlich weiter gekommen als anscheinend bisher jedes andere Labor weltweit. Denn er hat einen Weg gefunden, dieses
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