Nachhaltig tot (German Edition)
leuchteten aus dem Maigrün der Büsche hervor.
Das weiße Festzelt war geöffnet, um die Kühle des Morgens einzufangen, sie konnte die stilvoll gedeckten Tische im Inneren sehen.
Ganz genau so hatte sie sich diesen Tag immer erträumt. Und ganz genau so hatte sie sich ihn verdient.
Drei Monate lang hatte sie Tag und Nacht Angst gehabt, dass alles doch noch scheitern könnte, dass ihr Traum sich einfach in Luft auflösen würde. Aber sie hatte gesiegt. Jeder, der sie kannte, wusste, dass sie schon immer eine Kämpferin gewesen war. Sie zu unterschätzen, war ein großer Fehler. Jakob hatte das am eigenen Leib erfahren müssen. „Selbst schuld“, Ellen schüttelte sich unwillig und schob ihn aus ihren Gedanken. Heute gab es keinen Platz und keine Zeit für Versager.
Heute würde sie Hochzeit feiern, hier im großen Haus ihrer Eltern, im herrlichen Garten. Sie würde den Mann ehelichen, den sie liebte, und mit dem sie genau das Leben führen würde, das sie sich wünschte.
Vor einem Jahr hatte Felix ihr einen Heiratsantrag gemacht, sehr romantisch, im Urlaub am Strand. Fast schon zu kitschig. Natürlich hatte sie sofort Ja gesagt. Felix war ihr Traummann, denn er war nicht nur sehr attraktiv, als Unternehmensberater im Bereich erneuerbare Energien stand ihm auch eine blendende Karriere bevor. Und das Beste: Er hatte ihr noch nie einen Wunsch abschlagen können.
Nach der ersten Euphorie über den Antrag begann Ellen sofort mit der sorgfältigen Planung und Vorbereitung ihrer Hochzeit. Alles musste perfekt werden. Sie würde nicht mal die kleinste Kleinigkeit dem Zufall überlassen. Und ihr Papa hatte sich nicht lumpen lassen, sofort hatte er seiner kleinen Prinzessin das große Haus für die Hochzeitsfeier angeboten und „einen großen Sack voll Golddublonen, so viel wie du brauchst, mein Schatz“, sein Standardspruch seit sie siebzehn und Mama nicht mehr bereit gewesen war, die Modeallüren ihrer Tochter zu finanzieren.
Als sie dann „nur“ Bürokauffrau geworden war, hatte ihn das zunächst gar nicht amüsiert. Aber das Lernen war ihr nun mal nicht leicht gefallen. Heute war sie die wichtigste Sekretärin für den Vorstand, umsichtig und verschwiegen, genau und ehrgeizig. Natürlich hatte sie in allen Hochzeitsunterlagen als Beruf „Assistentin der Geschäftsleitung“ angegeben. Was bestand da schon für ein Unterschied, es würde doch eh nie jemand bei der Bank nachfragen. Und in den Kreisen, in denen sie in Zukunft verkehren würde, musste man ja etwas darstellen.
„Kommst du bitte zum Frühstück, Ellen, deine Stylistin und der Friseur werden in einer halben Stunde da sein, die Blumen kommen in zehn Minuten und die Getränke werden auch gleich geliefert“, die Stimme ihrer Mutter klang hoch und gepresst, wie immer, wenn sie sich ihre Aufregung nicht anmerken lassen wollte, in Wahrheit aber kurz vor dem Nervenzusammenbruch stand. „Bin in zwei Minuten unten, kleinen Moment noch“, Ellen schloss sachte ihre Zimmertür.
Unten klingelte das Telefon, der Anrufbeantworter sprang an, Ellen war klar, dass ihre Mutter in diesem Stadium des persönlichen Hochstresses nicht an den Apparat gehen würde. Sie hörte die Stimme von Jakob durchs Haus schallen: „Es tut mir sehr leid, ich werde es nicht schaffen. Seid mir bitte nicht böse, aber es geht nicht anders. Euer Jakobus.“ Ellen verdrehte die Augen, schreckliche Marotte, sich ständig Jakobus zu nennen, wie ein Apostel, ein Moralapostel. Aber das passte ja.
Ihre Mutter konnte jetzt nicht mehr verbergen, dass sie in höchster Aufregung war, sie kreischte fast: „Ellen, komm endlich runter, jetzt hat auch noch der Trauzeuge abgesagt“, sie verschluckte sich und schimpfte hustend und zusammenhanglos weiter: „… und musst du den Müll aus deinem Zimmer denn jetzt selbst hinunterbringen, dafür ist später die Putzfrau da, während wir in der Kirche sind. Ich kann mich doch nicht um alles kümmern, aber das ist ja wieder mal allen egal. Die Hochzeit wird in einer Katastrophe enden!“ „Nein, wird sie nicht, Mama, du weißt doch, dass wir vier Trauzeugen vorgesehen haben. So gut solltest du mich doch kennen. Alles ist bestens, Tim wird das perfekt machen. Und Ruth und Silvi werden nicht mal eine Minute zu spät kommen, glaub mir. Schade, dass Jakob nicht da sein kann. Aber das ist doch keine Tragödie“, Ellen kam ruhig die Treppe hinab, warf den Abfall in den Mülleimer, setzte sich an den Tisch und begann zu essen.
Jakob hatte immer
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